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Bilder, die im Gedächtnis bleiben

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Ernst Fuchs stellt in der Galerie Sankt Stephan aus. Würde er auch nur drei seiner Bilder — den „Entwurf zum Glorreichen Rosenkranz“ (Oel und Tempera, 1958), die „Studie zur Auferstehung I“ (Oel und Tempera, 1958) und die Tafel „Psalm 69“ (Mischtechnik, 1948 bis 1958) — zeigen: die Ausstellung hätte schon ihre Berechtigung; und wäre eine der wenigen wirklich sehenswürdigen, die man in Wien heuer sehen konnte. Aber Ernst Fuchs zeigt noch mehr: eine Auswahl seiner Entwürfe für die Rosenkranzkirche in Wien-Hetzendorf, die von den Architekten Achleitner und Gsteu in dankenswerter Weise entrümpelt und modernisiert wird; Bilder zum Glorreichen, Schmerzhaften und Freudenreichen Rosenkranz (Tempera und Aquarelle, 1958); Märtyrer und Lichterlandschaften (Kohle), Feuer der Unterwelt (Aquatinta), den Einhorn-Zyklus (Radierungen) und viele andere Kostbarkeiten seiner Graphik aus den letzten 13 Jahren.

Aber zuletzt bleiben diese drei: der Auferstandene vor schwarzblauer Nacht, in die goldgrün Seine Ausstrahlung versprüht; die Auferstehungsstudie, in der Ernst Fuchs eine einzigartige Verschmelzung von Tachismus, Surrealismus und großer alter Kunst geglückt ist; von der Ferne ist's nur eine gold-orangene Fackel oder das Zentrum einer Explosion, in der Nähe ordnet und sammelt sich alles zum Kopf des Auferstandenen, zu einem wahrlich und leibhaftig Auferstandenen; und der „69. Psalm“, ein geniales Zeitgemälde, das als repräsentativ für die letzten 50 Jahre Geistes- und Kriegsgeschichte gelten kann. Das sind drei grandiose Gemälde; von ihnen geht das Fluidum geheimnisvoller Anziehung aus, die den Blick immer wieder ins Bild zwingt und das Bild immer wieder ins Gedächtnis ruft — jenes Fluidum, das aller großen Kunst zu eigen ist. Ohne Vorbehalt dürfen wir Ernst Fuchs heute einen der bedeutendsten lebenden österreichischen Maler nennen.

Während Ernst- Fuehs.“bel.Mifer. “Mauer- in der Galerie St. “Stephan ausstellt, zeigt er in seinen' eigenen Schauräumen in der Millöckergasse Blätter von Le- Marechal, einem jungen Franzosen: und legt auch damit ein Bekenntnis zur imaginativen Kunst ab. Die nächste Ausstellung wird in konsequenter Fortführung dieser Linie Erich Bauer gewidmet sein.

Viermal wurde der 75. Geburtstag von Franz Zülow gefeiert: durch eine schöne Festschrift, erschienen im Verlag Anton Schroll, mit einem Text von Fritz Novotny und 36 Tafeln; durch eine Ausstellung in der Neuen Galerie der Stadt Linz; durch eine zweite in der Wiener Secession, die 118 Bilder, etliche Faltfiguren und 30 bemalte Krüge, Vasen, Service, Schalen und Kacheln umfaßt und endlich — sozusagen als krönende Draufgabe — durch ein Widmungsblatt von Albert Paris Gütersloh, der bemerkt: „Zülow ist ein Sonntagsmaler von Beruf... Ich weiß nicht, ob Zülow eine Malschule besucht hat, wenn doch, dann hat er wie der dem Bach entsteigende Pudel so lange sich geschüttelt, bis kein Tropfen mehr des ihm, aber nur ihm, ungemäßen Elements zwischen seinen Haaren verblieben ist...“

Zülow ist sehr tief in alte Märchenbücher hinabgetaucht, wo er, in einem naiven Land der Fabeltiere und Elefanten, sich selber fand. Seine Bilder wirken alle wie Illustrationen zu Sagen und Märchen: zu solchen, die wir kennen, und solchen, die wir zu kennen meinen, sehen wir nur seine wunderlichen Menschen, Städte, Tiere und Bäume. Wie er lächelnd seinen „Urwald“ malt, so stellt sich der überernste Künstler in den Hauschroniken vor 100 Jahren die „Erschaffung der Welt“ oder das „Leben im Paradies“ vor. Folgt Zülow seinen Visionen, so geraten ihm leicht die „Lemuren“ zu putzig; blickt er aber auf die alltägliche, ihn umgebende Welt, so sieht der kleine Pudel richtig furchterregend aus, ein kleiner Hausdrachen, der seinen Knochen verteidigt. Zülow fehlen der unbedingte künstlerische Ernst und die Abgründe eines anderen „onntagsmalers aus Beruf“, des Zöllners Henri Rousseau: wo dieser stilisierte, idealisiert er und schafft eine kauzige, skurrile, liebenswerte Malerei- Zülow ist ein Exemplar einer im Aussterben begriffenen Spezies: ein Originaltalent. Wobei die Betonung gleichermaßen auf Original wie auf Talent ruht.

Gemeinsam mit Franz Zülow stellt Franz L e r c h in der Wiener Secession aus. Lerch wurde 1895 in Wien geboren und wanderte 1939 nach New York aus: dort ist er noch heute ansässig. Mit seinen Oel-bildern „Schlafende in New lersey“, in dem Sternenhimmel und amerikanische Großstadtlichter in eins wachsen, und einem wehmütigen „Blick aus dem Fenster“ ruft er sich uns wieder ins Gedächtnis.

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