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Der Maler und Graphiker Hans Müller

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Es ist jetzt ein Jahr her, daß der Tod ein hoffnungsvolles Künstkrleben auslöschte: am 19. Februar 1946 starb in Graz, 51 Jahre alt, Professor Hans Müller, den Graz und Wien zu ihren bedeutendsten Graphikern zählen können.

Schon 1923 machte der junge Künstler, der am 23. Juni 1895 in Graz geboren wurde, durch ein Altarblatt und die geniale Ausmalung der Pfarrkirche in Schaufenberg bei Aachen mit mächtigen allegorischen Engelsgettalten. auf sich aufmerksam. Seit 1924 war er fast alljährlich in den Künstlerhausausstellungen in Wien, seit 1925 häufig in den ! Ausstellungen der Genossenschaft bildender Küntler Steiermarks in Graz mit Radierungen vertreten. Auch andere Ausstellungen beschickte er, insbesondere beteiligte er sich 1935 an der Wettbewerbsausstellung für den Großen österreichischen Staatspreis. Stets fanden seine Werke in der Presse und in Kunstkreisen beste Anerkennung. Besonders interessierten sich schon in seinen Studienjahren maßgebende Persönlichkeiten der österreichischen Industrie für ihn und tätigten Ankäufe und Aufträge. Hans Müller zeichnete, malte in verschiedenen Farbtechniken, porträtierte; doch verlegte er sich allmählich ausschließlich auf die Kunst des Radierens. Wohl angeregt durch sein Erleben als Werkstudent inmitten der Industriearbeiterschaft, deren Mühe und hartes Ringen er kennenlernt^, unter dem Eindrucke der gigantischen Kräfte der Maschinen und der dämonisch bewegten Bilder in den Schächten, an den Hochöfen und sonstigen Arbeitsstätten, suchte xpd fand er auch hier als wahrer Künstler die Schönheit und Erhabenheit der Bewegung, der aufragenden dunklen Massen, der grellen Feuer, der metallenen Glutströme und der drohendtiefen Schatten, und schuf in seinen Radierungen ein packendes Bild der Industrie, ein Epos der Arbeit. Nicht ohne Einfluß waren auf ihn der Engländer frank Brangwyn, der Belgier Konstantin ! Meunier, besonders aber seine Lehrer Ferdinand Andri und Bertold Löff-ler (sein Lehrer im Radieren) in Wien und Anton Marussig in Graz, dessen Aktkurse er i924 bis 1925 besuchte. So entstanden große, prächtige, kbendurchglühte Blätter voll überraschender Lichteffekte, wie: Förderschacht, Hausbau, Hüttenwerk, Arbeiter im Steinbruch, Martinsofen, Gießerei Witkowitz und andere; dazwischen schenkte er uns wohl auch ein Bacchanal oder einen weiblichen Akt. Der Kunstkritiker Arthur Rößler schrieb schon 1929 über ihn: „Frei von aller Sentimentalität gegenüber der Natur, kommt es Hans Müller nicht in den Sinn, als Gegenwartsmensch der Stadtzivilisation den Salontiroler oder Tolstoi-schen Großstadtflüchtling zu mimen; im Gegenteil: er sagt tapfer ja zu dem Zeitalter, dessen Beruf Industrialismus und dessen Stolz Technik heißt, und radiert — auf Platten von gewaltigem Ausmaß — mit anerkennenswerter Handwerkstüchtigkeit in dramatisch bewegtes Helldunkel eingetauchte ... Bilder des Jahrhunderts der Ingenieure...“ —

In den letzten Jahren vollendete er die Radierungs-Entwürfe für einen „Kreuzweg“, Gruppen von monumentaler Schlichtheit und eindrucksvollster Kraft und Innerlichkeit; leider verhinderte der Tod die Ausführung der Radierungen. Dafür hinterließ er uns als letztes vollendetes Werk ein großes Blatt „Kreuzabnahme“, welches barocke Wucht und Bewegtheit mit Licht-gebung in der Art Rembrandts verbindet. Eine Kollektion kleiner radierter Grazer Ansichten, eine letzte Bestellung, gedieh leider über das erste Blatt „Mausoleum“ nicht hinaus. Die allerletzten Arbeiten waren vielversprechende Vorstudien für ein Altarblatt in Ölmalerei für die Pfarrkirche in Ebenfurth, das eine Märtyrerszene, die Ermordung eines Priesters am Altar durch Türken, darstellen sollte. —

Professor Hans Müller war vielseitig gebildet, neben seiner Kunst liebte er aber als Tatkatholik besonders theologische und religionsphilosophische Werkes In seinem Leben war er anspruchslos und zurückgezogen. Was man besonders wohltuend empfand, war jedoch, daß er trotz aller Bescheidenheit den Wert seiner Arbeiten erkannte und sich an ihm mit seinen wenigen, ausgewählten Freunden erfreute. Als Lehrer war er der treue Mentor seiner Schüler auf den Wegen der Kunst, er verstand es, nicht bloß Zeichenlehrer zu sein, sondern in ihnen das Interesse für die Kunst und ihre Geschichte zu erwecken, und lehrte sie überall das künstlerisch Schöne finden und sehen. Er war ein Großer und verdient dauerndes ehrendes Andenken.

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