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Lebenswerk eines Wiener Philosophen

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DAS PROBLEM DES ÜBELS IN DER PHILOSOPHIE DES ABENDLANDES. Von

Friedrich Billicsich. I. Band: Von Platon bis Thomas von Aquino. Verlag A. Sexl, Wien. 367 Seiten. — II. Band: Von Eckehart bis Hegel. Verlag A. Sexl, Wien-Köln. 375 Seiten. — III. Band: Von Schopenhauer bis zur Gegenwart. Verlag Notring der wissen schaftlichsn Verbände. Österreichs, Wien. 356 Seiten tum

In dem nun abgeschlossenen Lebens- werk des Wiener Philosophen wird dem Problem der Theodizee in all seinen Wandlungen und den versuchten Lösungen durch die Jahrtausende abendländischen Denkens nachgegangen. Daß sich dieses Problem einem Jahrhundert härtester Bedrohung und aufeinanderfolgender ckeit. stellt; „ist begreiflich. Billicsich weist.

darauf hin, daß gerade unserer Zeit die

Frage: „Woher stammt das Übel?“ zum

Ausgangspunkt ihres Ringens um den Sinn menschlichen Daseins und um Gott geworden ist. An ihm ist der Gottesglaube so mancher Denker von Diagoras von Melos bis August Messer zerbrochen, und heute ist es mehr denn je die „crux philo- sophorum“. Auch atheistisches Denken muß sich mit dem Problem des Übels auseinandersetzen.

Die Bedeutung des vorliegenden Werkes, in dem der Nestor der Wiener christlichen Philosophen die Entfaltungen der

Problemstellung und die Lösungsversuche darstellt, kann daher nicht hoch genug eingeschätzt werden. Billicsich läßt in eingehender Weise die Denker selbst zu Worte kommen und würdigt im unmittelbaren Anschluß daran kritisch ihre Auffassungen. Im ersten Band werden nicht nur die Bemühungen Platons und Aristoteles’, des Augustinus und des Aqui- naten um das Theodizeeproblem ein gehend behandelt und gewürdigt, sondern es kommt auch die breite Problementwicklung in der Stoa, der Schule Epikurs, bei den Neupythagoräern und bei den Neuplatonikem, aber auch bei den Gnostikern und ersten Apologeten und bei Scotus Eriugena sowie Anselm von Canter- bury zur Darstellung.

Im zweiten Band findet die neue Problemwendung bei Eckehart, Nikolaus von Kues, aber auch bei Jakob Weigel und Jakob Böhme ihre eingehende Würdigung und Kritik. Die zentrale Stelle aber nimmt in diesem Band die große Auseinandersetzung zwischen Leibniz und Rousseau auf der einen Seite und David Hume und Voltaire auf der anderen Seite ein. Doch werden auch die neuen Motive der Problementwicklung bei Malebranche, Herder, Kant und den deutschen Idealisten herausgearbeitet und untersucht.

Besondere Bedeutung aber kommt dem dritten Band des Werkes zu, der die Entwicklung unseres Problems im 19. und 20. Jahrhundert darstellt. Wer die Problemgeschichte dieses Zeitraumes kennt, weiß um die Mühe und Schwierigkeit des Erfassens des Wesentlichen und Entscheidenden. Der gewaltige Anmerkungsapparat dieses Bandes von mehr als 120 Seiten läßt die hier geleistete präzise Arbeit bis in die letzten Einzelheiten verfolgen. Mit sicherer Hand hat der Autor aus der Überfülle des vorliegenden Materials die eigen-

versuche. Tjeiaus egnffen; gejvftrdigjt. Im besondere a I llunj t.

Behandlung des Theodizeeproblems bei Schopenhauer, Fechner, Franz Brentano, William James, Max Scheler, Hans Driesch, Erich Becher und Aloys Wenzl verwiesen. Aber auch die Untersuchungen so verschieden profilierter Denker, wie Henri Bergson, Ernst Troeltsch, E. Horneffer, Nicolai Hartmann und C. Royce finden klare Darstellung und Würdigung. Eine besondere Untersuchung ist dem Problem „des Übels in der Natur“ gewidmet.

In klarer Weise zeigt Billicsich auf, daß gerade die Behandlung des Problems des Übels so manche Denker zu ganz eigenartigen metaphysischen Konzeptionen geführt hat. Dies gilt von Fechner, der noch einmal die Ansätze Jakob Böhmes und Schellings aufnimmt, aber ebenso von Schopenhauer, William James und Max Scheler. Die erst zu schreibende Geschichte der Metaphysik unseres Jahrhun derts findet in dieser vorbildlichen Problemgeschichte viel wertvolles Material und richtunggebende Hinweise auf Problemzusammenhänge.

Aber nicht nur dem Fachmann, sondern jedem ernst um den Sinn des Daseins Ringenden hat dieses Werk viel zu geben. Es erweist, wie Billicsich mit Recht sagt, daß rationale Überlegung zeigen kann, daß das Dasein des menschlichen Übels mit der Existenz eines vollkommenen Gottes nicht unverträglich ist, daß sie aber über diese Feststellung hinaus nicht vorzudringen vermag und daß das Problem des Übels in der Natur für den Menschen in diesem Sein unlösbar ist, ein Geheimnis bleibt, das der Offenbarung harrt.

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