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Digital In Arbeit

Bacher hat Schläfer aufgeweckt

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Am Sonntag abend hat ORF-Generalintendant Gerd Bacher vor versammelter Österreich-Prominenz das neue Programmschema vorgestellt. Eindrucksvoll. Zuletzt ließ er auch noch die Katze „Teletext“ aus seinem Sack. Und die war eine mittlere Bombe.

Teletext ist ein System, mittels dessen man durch Druck auf ein Handtastgerät Textinformationen vielfältiger Art einholen und während eines laufenden Fernsehprogramms auf den häuslichen Bildschirm beordern kann: Wetterbericht und Kinopremieren, Theater- und TV-Programme, See- oder Schneeberichte, Kochrezepte, Filminhalte, Veranstaltungskalender aus allen Bundesländern, sogar die Schlagzeilen der Zeitungstitelseiten.

Daß dieses System kommen würde, ist allen Branchenkundigen seit Jahren sonnenklar. Daß es eine spürbare Konkurrenz für jene Zeitungen bedeuten müßte, die dergleichen Angebote gleichfalls führen und in letzter Zeit generell ausgebaut haben, war auch wie ein Geheimnis.

Deshalb gibt es seit zwei Jahren einen Arbeitsausschuß des Zeitungsherausgeberverbandes, der diese Thematik studieren sollte. Er muß es streng im geheimen und bei totaler Nachrichtensperre getan haben. Andernfalls müßte man zu dem Schluß kommen, daß er geschlafen hat.

Nicht geschlafen hat Bacher. Das aber kann man ihm . wirklich nicht zum Vorwurf machen. Im Gegenteil: Man hätte ihn kennen müssen. Daß er ab 1980 ein ziemlich umfassendes Teletext-Angebot in sein Programm aufgenommen hat, war sein gutes Recht. Nicht rechtzeitig das Gespräch darüber gesucht zu haben, war das Versäumnis derer, die geschlafen haben.

Tatsache ist, daß mit Teletext in gewisser Hinsicht ein neues Medium ins Leben tritt. Tatsache ist auch, daß das noch immer bestehende staatliche Rundfunkmonopol damit noch einmal fraglicher wird. Und Tatsache ist, daß gleiches vom Mediengesetzentwurf gilt, der die wichtigen neuen elektronischen Medien überhaupt nicht berücksichtigt.

Ob der ORF darf, was er nun tut, ist vergleichsweise unerheblich. Wohl ja. Aber ob er soll, was er will, muß ausdiskutiert werden. Denn die Bedrohung der Pressevielfalt von einer neuen Front her ist nicht eine rechtliche, sondern eine medienpolitische Frage, eine gesellschaftspolitische Grundsatzentscheidung.

Im Anschluß an das Rundfunkvolksbegehren 1964 65 haben Presse, Rundfunk und Gesetzgeber über die Frage einer Begrenzung der Werbezeiten im Fernsehen geredet. Das müssen die Betroffenen auch jetzt rasch tun: als Partner, nicht als kriegführende Gegner.

Und die Politiker gehören natürlich dazu. Einige Kuratoriumsvertreter fühlten sich von der Art, wie Bacher im ORF-Kuratorium das Teletextsystem als „Messe-Testprogramm“ verkaufte, überfahren. Als sie aufwachten, war der „Konsensbeschluß“ schon da. Die SPÖ-Politiker im Kuratorium aber haben, wie sie selber zugaben, sehr genau gewußt, was sie da taten.

Zum Umdenken sollten alle noch einmal eine Chance erhalten.

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