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Digital In Arbeit

In Wirklichkeit Lesemedium

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Noch im heurigen Frühjahr haben einzelne österreichische Zeitungsverleger alles, was allgemein mit dem Begriff „Bildschirmzeitung“ erfaßt wird, als relativ uninteressant und in ungewisser Zukunft liegend abgetan. Das heftige Donnergrollen von der Berliner Funkausstellung 1979 schreckte jedoch auf. Dort waren sich Deutschlands Rundfunkanstalten und Zeitungsverleger in heftigen Auseinandersetzungen nichts schuldig geblieben.

Als schließlich der ORF ankündigte, ab 1. Jänner 1980 ein offizielles Teletext-Versuchsprogramm zu senden, war der Seelenfrieden der Betroffenen auch hierzulande gestört. Die in der Bundesrepublik Deutschland schon seit Jahren vehement geführte Diskussion um die Bildschirmzeitung griff auch auf die Insel der Seligen über.

Der ORF leitet nach Ansicht der Verleger mit dem Teletext-Versuchsprogramm eine Entwicklung ein, welche die österreichische Medienlandschaft einschneidend verändern kann. Die ORF-Macher bestreiten dies, denn ihre „Teletexte“ wären nicht „Bildschirmzeitung“. Dies zu bestreiten, ist derzeit leicht möglich. Es gibt keine einheitliche Terminologie. Oft werden dieselben Begriffe mit unterschiedlichsten Inhalten versehen.

Worin liegt nun die Bedeutung der Entwicklung?

Während gedruckte Zeitungen nach wie vor auf sehr kostenintensive Weise dem Konsumenten körperlich nähergebracht werden müssen, ermöglicht die rasante Weiterentwicklung der Elektronik einen immer preisgünstiger erdenden TrąjĮsport; von Informationen auf immateriellem Weg. Auch von aktuellen Leseinhalten, welche derzeit vor allem in den Zeitungen angeboten werden.

Drei Transportwege vom Informä- tionsanbieter zum Femsehschirm des Konsumenten sind möglich:

• das Telephonnetz, welches derzeit besonders in England und Deutschland von den Postorganisationen forciert wird;

• das Kabel, welches im Zusammenhang mit der Entwicklung des Kabelfemsehens bereits heftigste politische Auseinandersetzungen verursacht hat; schließlich

• die Fernsehsender, die neben dem Normalprogramm Informationen in Schriftform oder graphischer Auflösung über die Austastlücke senden können. Eben diese Austastlücke will der ORF für sein Versuchsprogramm nutzen.

Kurator Schieder bezeichnete die ORFschen Teletexte als ein „Adhäsiv zu einem bestehenden FS-Pro- gramm, nur etwas weitergehend als die jetzt gebräuchlichen Hinweise (P) für ein Pausenprogramm und (SW) für eine Schwarzweiß-Sendung“. 64 Seiten Information mit Programmangaben, Wetter- und sonstigen Berichten etc., etc. als erweiterter Pausenfüller? Die Schiedersche Feststellung kann nur aus Unwissenheit oder zum Zwecke der Verharmlosung gemacht worden sein.

Die zitierten Kuratoren gelten in ihren Kreisen als Medienexperten. Sie sollten doch wissen, daß eben die Inhalte, die der ORF in seinen „programmbegleitenden Teletextinformationen“ ausstrahlen möchte, wesentliche Bestandteile der gedruckten Lesemedien darstellen, daß die

Wiederholbarkeit und Zeitunabhängigkeit des Abrufes der Inhalte ein wesentliches Merkmal der Zeitungen darstellen.

Die Zeitungen bieten ihren Lesern neben Berichten und Kommentaren zu aktuellen Tagesereignissen eine Fülle von Serviceleistungen, etwa das ORF-Programm, Veranstaltungsprogramme von Theatern, Kinos usw., Sportergebnisse etc. etc. - alles zum Nutzen der Leser.

Und wesentliche Teile dieses Servicebereiches der gedruckte!! Lesemedien soll nun der ORF unter dem Begriff „programmbegleitende Informationen“ im Alleingang abdek- ken dürfen - sehr zum Schaden der Zeitungen?

Bei der Entwicklung von Organisationsmodellen, welche die Zeitungsverleger in der Nutzung der modernen Übertragungstechnik nicht einschränken, wird sicherlich nach den drei Ubertragungswegen zu unterscheiden sein. Die Gestaltung wird von der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer lokalen Abgrenzung abhängen.

Für das derzeit akute Problem einer Beteiligung der Zeitungen am Teletextversuch bieten die Niederlande ein interessantes Vorbild. Dort fungiert die Post als Transporteur für die Feldversuche mit „Viewdata“ (also dem Übertragungssystem via Telephonnetz). Acht Tageszeitungen liefern die Inhalte und versorgen damit 2000 Versuchshaushalte. Nach einem Jahr will man gemeinsam die Versuchsergebnisse analysieren.

, Das Modell läßt sich auch auf die ORFschen Teletext-Versuche Überträgen: Der ORF bietet die technischen Mittel, die Zeitungen die Inhalte, die sie auch bisher ihren Lesern in gedruckter Form anbieten. Dadurch wird es lediglich eine Frage der Aufbereitung der Inhalte, ob sich diese neue Art der Übermittlung von Leseinhalten zum aushöhlenden Konkurrenten entwickelt oder zum „Aperitif des Zeitungslesens“ wird.

Organisationsmodelle, die ein sinnvolles Zusammenspiel der Medien ermöglichen, gibt es viele. Entscheidend ist jedoch, daß nicht die Definition des technischen Übertragungsweges (z. B. Rundfunkbegriffes) zur Beurteilung der Wertigkeit der neuen Medien herangezogen wird. Entscheidend ist das Erscheinungsbild der Inhalte. Bei den ORFschen Teletexten handelt es sich um Leseinhalte, also um Bildschirmzeitung. Zeitung bedeutete ja nie ausschließlich mit Nachrichten bedrucktes Papier, sondern immer die überbrachte Nachricht an sich.

Ein kurzsichtiges Denken, die Zeitungsverleger ausschalten zu wollen und dem ORF den Ausbau seiner Monopolstellung auch bei den neuen Lesemedien zu ermöglichen, wird sicher in Kürze ab absurdum geführt werden, spätestens dann, wenn grenzüberschreitende Medien verstärkt nach Österreich hereinwirken werden.

Wäre es nicht sinnvoll, bei den neuen Lesemedien, also auch beim ORFschen Teletext, von Anbeginn eine vielfältige österreichische Auswahl zu bieten? In Zusammenarbeit mit den Zeitungen? Und dies schon im Versuchsstadium?

Der Verfasser ist Verlagsdirektor der „Oberösterreichischen Nachrichten“ in Linz'.

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