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Blick zu den Hindus
Die Beschäftigung mit anderen Religionen hatte und hat gewiß auch als Motiv, durch das Betrachten andersgearteter religiöser Antworten und durch Vergleichen die empfundene Enge des eigenen Bekenntnisses zu überschreiten. Aber nicht immer geht es bei einem solchen Hinüberschauen um eine Relativierung oder Erweiterung. In unseren Tagen ist es oft auch der Versuch, in jenseits der eigenen Routine liegenden Bereichen die Offenbarung des Transzendenten eher zu finden. Dafür sind die aufblühenden Meditationspraktiken aus der Praxis des Zen oder des Sufismus ebenso ein Beweis wie die steigende Zahl religionswissenschaftlicher Publikationen.
Die Vierte Religionstheologische Studientagung, die an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Gabriel vom 5. bis 8. April stattfand, hatte ihre Fragestellung definiert als „Sein als Offenbarung in Christentum und Hinduismus“. Sie stand unter dem Schwerpunkt Begegnung als Suchen nach dem Existenzverständnis hüben und drüben.
Die Vortragenden — die Professoren Devasenapathi und Balasu- bramanian, Direktoren des Rad- hakrishnan Institute for Advanced Study in Philosophy an der Universität Madras, und Professor Dandekar, em. Professor für Sanskrit an der Universität Poona — verkörperten verschiedene Richtungen des heutigen Hinduismus.
Das große Thema des Hinduis mus ist die Befreiung des Menschen aus einem Zustand des „Seins im Prozeß“. Es handelt sich um eine Selbstbefreiung, und diese geschieht durch Erleuchtung und Wissen (beide Ausdrük- ke wurden nebeneinander gebraucht). Die Selbstwerdung ist eine Einswerdung mit dem absoluten Sein (brahman), über das keine Aussagen zu machen sind; sie bedeutet in ihrer Losgelöstheit von allen Bedingtheiten absolute Glückseligkeit.
Was er vielleicht abstrakt gewußt hatte, wurde dem Teilnehmer an diesem Symposion vor Augen geführt: daß der Hinduismus in „philosophischen Fragen“ (sic) viele verschiedene Standpunkte einnimmt, an viele Götter glauben kann oder an einen einzigen Gott (wobei dieser „Gott“ das sich in seiner Einwirkung auf Welt und, Mensch darstellende attributslose, absolute Sein ist) oder an keinen Gott. In jedem Fall aber ist (mit Dandekar), das Ziel, die Selbstbefreiung, gleich, und ist die Praxis gleich: Taten der Liebe zu tun.
Auffällig war auch für den aus der christlichen Tradition kommenden Zuhörer die Betonung der eigenen Erfahrung, die die in den heiligen Schriften der Hindus gesammelten Traditionen schließlich unnötig macht, ebenso wie die des in der hinduistischen
Tradition so wichtigen Lehrers. „Die Wahrheit ist subjektiv“, zitierte Balasubramanian Kierkegaard, und die Offenbarung findet in der Seele des Individuums statt. So nahm auch die typische Betonung der Toleranz durch die indischen Vortragenden nicht wunder.
Das Wort, das Oberhammer (Indologe der Universität Wien) in seinem Einleitungsreferat „Der Mensch als Ort der Offenbarung“ gesagt hatte, daß in der hindui- stisch-shivaitischen Tradition „die apriorische Bedingung für kategoriale (= inhaltsgebundene) Offenbarung im menschlichen Sprechen zum Heilssystem“ werde, erwies sich gerade in seiner Undefiniertheit als Grund-Satz.
Von diesem Bild des Hinduismus hob sich die Darstellung der christlichen Theologie in ihrer Konkretheit und Festgeschrie- benheit, wie einige Teilnehmer feststellten, geradezu erschrek- kend ab. Die Vorträge von Walter Kasper (Dogmatiker aus Tübingen), Notker Füglister (katholischer Bibelwissenschaftler aus Salzburg) und Wolfgang Schräge (protestantischer’Ordinarius für Neues Testament, Bonn) beleuchteten die Grundaspekte des Christentums, zu denen auch ein Referat Karl Rahners verlesen wurde.
Unaufhebbar bestehen blieb jener Unterschied zwischen den beiden großen Religionen, den Dandekar so beschrieben hat: „Euer Satz ,Gott i§t die Liebe wird bei uns Hindus umgedreht zu dem Satz ,Die Liebe ist Gott .“
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