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Chance und Zukunft der Konservativen

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Das erst kürzlich bei Tyrolia erschienene Buch verheißt im Untertitel „neue Aspekte für Politik, Kultur und Weltanschauung“. Daß die Verheißung unerfüllt bleibt, ist wohl typisch für das Dilemma der Konservativen, wie es vor allem Gertrud Höhler (Gesinnungskonkurrenz der Intellektuellen, Edition Interfrom 1978) eindrucksvoll beschreibt:

„Ist linke Theorie das Angebot an den Geist, sich in reinen Werten aufzuhalten, ohne deren Verunreinigung durch die Praxis zu dulden, so fordert Konservatismus seine Parteigänger auf, sich einzurichten in un-erlösten Zuständen.' Die Konservativen haben aber noch kein Vokabular gefunden, um den Vorrang des Lebendigen vor dem Begriff, die Würde des Daseins gegen die verführerische intellektuelle Lust an Ideen zu verteidigen. Die Rechte leidet vielmehr an einem selbstauferlegten Kostümzwang: eine .Theorie' zu verkaufen, weil den Gegner eine solche zum Erfolg führte.“

Konservative Positionsmeldung, so nochmals Gertrud Höhler, wirkt wie ein Textfragment, zu dem die Melodie fehlt. Das kritische Zitat steht weithin für die Rezension des von Robert Kriechbaumer herausgegebenen Buches.

Was bringt es, wenn Gerd-Klaus Kaltenbrunner neuerlich Beweis zu führen versucht, es gebe eine konservative Theorie? Konservative Theorie sei eine praktische Philosophie, die zur „Kunst, ein Mensch zu sein“ tatsächlich beitragen könne. Ergänzt durch die Einsicht, daß der Mensch in Systemen lebt, soll konservative Theorie auch beitragen, daß der Mensch mit seiner Umwelt Frieden schließt. Bei alledem trachte man nicht nach der Bewahrung des Status quo, sondern nach dem Bleibenden. Man müsse auch neinsagen können.

Unbestreitbar wird hier praktische Vernunft angesprochen. Angesprochen, aber nicht ausgeführt. Das gilt ebenso für den Beitrag von Erhard Busek, der die Todsünden der Menschheit aus seiner Sicht abhandelt, um mit dem Hinweis zu schließen, keine Zustandsreform könne der Gesinnungsreform entbehren.

Christian Graf von Krockow sieht ein, daß es nicht möglich ist, sozusagen nach rückwärts zu entweichen in eine vorgeblich „gute alte Zeit“. Aber nur Martin Greiffenhagen kommt weiter, indem er den Satz von Franz Josef Strauß, konservativ bedeute an der Spitze des Fortschritts marschieren, voll annimmt: Wahre Maxime der konservativen Revolution sei es „Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.“

Diese Position allein gibt konservative Hoffnung. Es ist dies die Position der fortschrittlichen Mitte, gegen die Drimmel noch immer kämpft, obwohl sie das Salzburger Programm der Volkspartei (2,4) zum Selbstverständnis der ÖVP bestimmt.

Die Frage, was denn eigentlich zu konservieren sei, wird vor allem von Gaspari - Millendorfer (Konturen einer Wende 1978) klar und produktiv beantwortet:

Sowohl Trendkonservatismus - die Verabsolutierung des positiven Wertes aller Veränderungen, mithin die Irrlehre, das Neue sei auch immer schon das Bessere - als auch Strukturkonservatismus - der Versuch, Probleme von heute mit Lebensgestaltungsprinzipien von gestern zu bewältigen, also die Verabsolutierung tradierter Vorstellungen - seien fehlerhafte Konze“pte: Beide Konzepte haben den Fehler gemeinsam, daß sie die Funktion des obersten Leitbildes außer acht lassen - das eine Konzept, weil es auf einem zu niedrigen Niveau der Werte starr ist, und das andere, weil es eine Relevanz der obersten Norm überhaupt negiert. Progressivität und Konservatismus sind de facto jedoch keine einander ausschließenden Prinzipien. Im richtigen Bereich angewendet ergänzen sie einander vielmehr.

Nur ein Konzept, das in der Spannung zwischen Bewahren und Verändern die Entwicklung zu gestalten versuche, kann die Probleme der Zukunft bewältigen. Gaspari - Millen-dorfer sprechen vom Grundsatz der „bewahrenden Progressivität“: Konservativ in den obersten Sinnfragen, progressiv in den notwendigen Maßnahmen!

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