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Der Unmut könnte sich gegen die Sozialdemokratie richten

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Eine andere Diskussion, die - eben erst begonnen - im Programm bereits ihren Niederschlag gefunden hat und nicht so schnell verschwinden wird, ist die Forderung nach ėiner „gerechten Einkommens- und Lohnfestsetzung in der privaten Wirtschaft, im öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Sektor“ sowie „für die Verringerung der Ungleichheit der Einkommen durch die Steuerpolitik“ beziehungsweise „für die Überprüfung der öffentlichen Spitzeneinkommen sowie der Einkommen aus öffentlichen Unternehmungen, ob sie Ausdruck von Sonderprivilegien oder ob sie durch besondere Verantwortung und Leistung und durch berufsbedingte Aufwendungen begründet sind.“

Mit diesen Forderungen sind Probleme aufgeworfen, die zunächst einmal innerparteilichen Sprengstoff enthalten, stellen sie doch die Praxis der Einkommensmaximierung und -häufung, die auch vor dem sozialistischen Establishment nicht halt gemacht hat, in Frage und fordern zu einer Überprüfung dieser dem Parteivolk am ehesten zugänglichen und auffälligen Zustände heraus.

Es ist für eine Partei, die sich mangels dramatischer Alternativen und Nahziele in der Eigentumsfrage wenigstens stärker im Sinne der Gleichheit profilieren muß, wenn sie nicht von allen traditionellen sozialistischen Zielsetzungen abrücken will, nicht nur ein Schönheitsfehler, wenn sich am grünen Holze, das der eigenen Pflege unterliegt, antiegalitäre Tendenzen breit machen und ungehindert weiterwachsen. Der Unmut der Bevölkerung über Politikerprivilegien, die sich vielfach nicht als Honorierung von Leistungen, sondern als weidli- che Ausnützung von Gelegenheitsverhältnissen darstellen, könnte, wenn ihm nicht durch wirksame Maßnahmen gegengesteuert wird, auf lange Sicht zu einer Demokratieverdrossenheit und zu einem Einfallstor für demagogische Tendenzen führen und sich dann vor allem gegen die Sozialdemokratie richten, bei der die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit als besonders schwerwiegend befunden wird.

Gerade abe'r dieser Umstand soll die Zurückhaltung nahelegen, wozu noch die Überlegung kommt, daß der Vergleich von Politikergehältern mit Einkommen von Spitzenmanagern der Privat- und Gemei'nwirtschaft übersieht, daß die Politik ihrem Anspruch nach Dienst an sozialen Werten und nicht Durchsetzung individueller Profit- und Sonderinteressen der im politischen Leben Tätigen ist und auch nicht sein darf, wenn Politik nicht zu einem einträglichen Geschäft denaturieren soll.

Gerade bei sozialistischen Politikern fällt auch der Einwand erschwerend ins Gewicht, daß man sich bei Überschreiten einer gewissen Grenze nicht bloß des Einkommens, sondern der allgemeinen Lebensmöglichkeiten in Höhfen verflüchtigt, die es einem unmöglich machen, die Bedürfnisse der breiten Masse noch echt zu verstehen und zu vertreten.

Doch es geht bei der Frage der Berechtigung derartig hoher Einkommensunterschiede, wie sie bei uns in Österreich in manchen Bereichen existieren, nicht um die Organisierung der österreichischen Neidgenossenschaft und auch nicht um eine spezielle Diskriminierung gegenüber Politikern, obwohl die angedeuteten Erwägungen eine gesonderte Betrachtung und Behandlung dieser Gruppe durchaus gerechtfertigt erscheinen lassen. Es ist vielmehr ganz allgemein die Frage aufzuwerfen, ob gewisse Spitzeneinkommen, wie sie etwa im Bankwesen gang und gäbe sind, mehr mit Honorierung von Leistungen oder nicht viel mehr mit Verewigung von problematischen Usancen zu tun haben,

Der Generaldirektor der österreichischen Nationalbank, Heinz Kinzl, hat schon vor Jahren die Plafondierung und Einfrierung der Spitzengehälter befürwortet, ist aber mit diesem Vorschlag ein ebenso einsamer Rufer in der Wüste geblieben wie der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der als Politiker zu einer ähnlichen Selbstbeschränkung aufrief, ohne bei seinen Kollegen auf Gegenliebe zu stoßen.

Angesichts dieser warnenden Stimmen und der geringen Neigung, ihnen wenigstens durch Verhinderung weiterer Explosionen nach oben Rechnung zu tragen, muß es begrüßt werden, daß das sozialistische Programm den Anstoß zu einer Diskussion über die Rationalität und Legitimität von Einkommensunterschieden gegeben hat, die auch dann geführt werden muß, wenn man sich darüber Rechenschaft ablegt, daß es keine rational befriedigende Lösung des Problems des gerechten Lohnes gibt und jede Grenzziehung mehr oder weniger willkürlich ist.

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