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Deutschland brennt

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Sie sind wahrlich nicht zu beneiden, die deutschen Politiker aller Parteien, die sich an diesem letzten Novemberwochenende in Bonn zu einer Klausurtagung treffen. Dabei sind sie offensichtlich alle von dem Wunsch beseelt, die Asylfrage möglichst bald einer Lösung näher zu bringen.

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Sie sind wahrlich nicht zu beneiden, die deutschen Politiker aller Parteien, die sich an diesem letzten Novemberwochenende in Bonn zu einer Klausurtagung treffen. Dabei sind sie offensichtlich alle von dem Wunsch beseelt, die Asylfrage möglichst bald einer Lösung näher zu bringen.

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Die Klausurtagung steht unter doppeltem Erwartungsdruck: Einerseits muß jetzt endlich eine von der Mehrheit des Parlaments getragene brauchbare Lösung des Asylproblems gefunden werden, andererseits scheinen Politiker wie Wolfgang Schäuble, der Unions-Fraktions-Chef im Bundestag, nicht bereit zu sein, „ein Ergebnis um jeden Preis" erzielen zu wollen. Das heißt: Auch die Sozialdemokraten müssen sich bewegen. Und dafür bleibt eigentlich nur die Frage nach dem Individualrecht. Die Christsozialen und Teile der CDU wollen das bisher einklagbare Grundrecht auf eine institutionelle Asylrechtsgarantie reduzieren.

Immer mehr Deutsche wollen jetzt wissen, wie denn ihre Politiker den stets stärker werdenden Asylantenstrom bremsen wollen. Mehr als eine halbe Million Bewerber wartet auf einen Bescheid ihres Asylantrags, und mehr als anderthalb Millionen Flüchtlinge leben bereits in Deutschland. Und weil seit Monaten nur diskutiert wird, verbreitet sich immer schneller die enttäuschende Vorstellung, die Politik habe versagt und sei gänzlich überfordert. Was die Menschen in Deutschland fordern, ist mehr als schöne Worte und medienwirksame Demonstrationen. Viele Bundesbürger wollen schon gar nicht mehr hinhören, wenn ihnen wieder einmal erklärt wird, was SPD und Regierungskoalition in der Asylfrage eint beziehungsweise trennt. Bei ihnen schwindet das Verständnis für rechthaberische Debatten. Eine Entwicklung, von der nur rechtsradikale Gruppierungen profitieren.

Die Demokraten in Deutschland stehen vor einer schwierigen Bewährungsprobe. Einerseits wollen und müssen sie ihren Wählen Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit beweisen, andererseits aber deutlich machen, daß auch eine wie auch immer geartete Neuregelung der Asylpolitik die Flüchtlingsproblematik nicht lösen wird. Noch streiten sich Sozialdemokraten und Regierungsvertreter darüber, ob es sogenannte Länderlisten geben soll oder nicht, also Listen mit jenen Ländern, die keinen Grund dafür bieten, Asyl zu beantragen.

Das deutsche Thema Nummer eins macht zumindest deutlich, daß Europa wesentlich konstruktiver zusammenarbeiten muß, wenn die derzeitigen Schwierigkeiten mit Flüchtlingsströmen nicht nur Vorboten sein sollen. Diese können eigentlich nur vermieden werden, wenn man die Ursachen für die Wanderbewegungen aus Ost und Süd bekämpft. Bei der Armutsbekämpfung sind nicht nur Deutsche gefragt.

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