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Die Bünde als Bremser

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Etwa gleichzeitig mit dem Jubiläimi der ersten sozialistischen Regierung der Zweiten Republik — „300 Tage Kreisky” — steht auch der bisherige Erfolg oder Mißerfolg der zehn Arbeitsausschüsse der ÖVP-Bundesparteileitung zur Debatte.

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Etwa gleichzeitig mit dem Jubiläimi der ersten sozialistischen Regierung der Zweiten Republik — „300 Tage Kreisky” — steht auch der bisherige Erfolg oder Mißerfolg der zehn Arbeitsausschüsse der ÖVP-Bundesparteileitung zur Debatte.

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Vorweg sei die Behauptung aufige-sWUt, daß beredte bei ihrer InstaiLIie-rung ein enlisdieiKieinder Fehler, ein entecheddondies Eämgestänidnis an die Omnipoteniz der Bünde zu Lasten des Primats der Partei gemacht wunde: anstatt Gebilde efinzunichten, die mit der herrischenden Kompetenzvertei-lung im Staate korrespondiem, also anstatt echte „Schattenministerien” zu gründen, wurde die Verlegenheits-lösumig der Arbedtsauisschüsse gewählt, die an allen Ecken und Enden Überschneidungen hervorrufen beziehungsweise vorhandene Kompetenzen (Bundeskanzleramt) nicht ein-sehMeßen. Nicht, weil man es damals nicht besser gewußt hatte (Nieder-österredchs Landeshauptmann Maurer ging auf dem letzten Buodespar-tedtaig vehement für die Schattemmi-nisterien auf die Barrikaden) sondern aus Grün/den der parteiinternen Opportunität wurde — audi unter Hinweds auf das eoziiaiisrtasche Oppositionsvorbild von 1966 bis 1970 — der leichtere Weg gewählt. Stand schon der Einrichtung der zehn Arbeitsaiusschüsise und dar im weiteren Veoiauf installierten Unterausschüsse von Anifaog an der Bünde-proporz als übermächtiger Pate zur Seite, so zog sich ihre Präsenz seit Juni 1970 wie ein roter Faden diirch die rund 160 Satzungen der Arbeitsausschüsse. Und das saih dann immer folgendermaßen aus:

• In einem der Ausschüsse (jeweils zwei Vertreter des ÖAAB, des ÖWB, und des ÖBB, je ein Vertreter der Jugend- und der Frauenbewegung sowie des Akademikertoundes und Experten) taucht eine neue Initiative auf;

• Der Art>eitsauisschuß s)etzt für die Weiterbehandlung einen Unterausschuß ein, der wiederum nach dem Bündeschlüssel zusammengesetzt und durch Experten (in der Regel aus den Bünden nahestehenden Interes-senivertretungen) ergänzt wird;

• Nach Vorlage eines Entwurfes für die Materie kommt wieder der Ausschuß zur Befassonig; es dürfte eher die Ausnahme von der Regel sein, wenn hier nicht schon ein Bündeeinspruch mit dem Antrag auf RückÜberweisung an den U-Ausschuß erfolgt; Einsonsten passiert der Entwurf den Ausschuß und wandert in den sogenannten Zehnerausschuß;

• Der durch die Vorsitzenden der zehn Arbeitsausschüsse gebildete Zehnerauaschuß bringt im Durchschnitt nach zweimaliger Befassunig mit der Materie die Sache um einen Schritt weiter: in den sogenannten Koondinationeauisschuß;

• Dieser, zusammengesetzt aus Zeh-nerauBschuß sowie den Bündeob-mäinnem mdt ihren Generalsekretären (in diesem Stadium tritt auch wieder die Jugendbewegung und die

Frauenbewegung in Erscheinung) hat schon öfter trotz Bündekompromissen in den Aiisschüssen die ganze Angelegenheit aum Platzen gebracht. Nehmen wir jedoch an, daß dem nicht so ist, daran verfaßt unsere Gesetzesinitiative endgültig den Schoß der Bundesparteileitung — und wandiert in den Pairi’amentsklub;

• Doch wer meint, daß der Antrag jetzt wenigstens edngebracht wird, irrt: Der Antraig geht in die sogenannten Arbedtsauisschüsse des ÖWB, des ÖAAB und des Bauembundes. Erst wenn auch hier keine Einwände mehr erfolgen, ist zumeist der Entwurf allgemein bekannt — und wird womöglich von einer der beiden anderen im Parlament befindlichen Parteien eingebracht und zu Gesetzeskraft erhoben.

Nun ist sdd>eriddi unbestritten, daß die Volfcsparted innerparteilich einen Interessenausigleich braucht und daß ihre Kons’truiktion der drei Bünde notwendig und zugleich brauchbar ist. Auch daß ein solchermaßen notwendiger Abstimmungsprozeß Zeit erfordert. Unbestritten ist aber auch, daß der interfraktionelle Abklä-mngsprozeß nidit solange dauern darf, daß man von der Ministerial-bürokratie eines SPÖ-Ressortchefs in der gleichen Angelegenheit glatt überrundet wird (was wiederholt der Fall war). Es ‘ist ferner an der Arbeitsweise der ÖVP-Arbeitsaus-schüsse unklar, warum während des EntScheidungsprozesses dreimal die Bünde eingeschaltet werden, bei der Genesis im Unterausschuß (sidierUch von Vorteil), im Koordinationsausschuß und dann noch einmal in den Arbeitsgemeinschaften des Parlamentsikfljubs. Hier dürfte es sich tatsächlich um Interkommunikations-schwiieriigkaiten in den Bünden selbst handeln, die der gemeinsamen Sache mehr als albträglich sdnd.

Nicht spektalniiar, doch intensiv

Trotz dieser beachtlidien Schwierigkeiten, die offenbar systemimmanent sind (und daher nach einer Änderung des Systems rufen!) kann man nicht umhin, der Leistung der Arbeiteausschüsse sowie dem hohen ideellen Aufwand ihrer Mitarbeiter

Respekt und Anerkennung zu zollen. Wer weiß, daß eine große Zahl ihrer Mitglieder jeweiils auf eigene Kosten aus den Bundesdänidern anrräsen und daß viele Abgeordnete im Parlament schon genug beschäftigt sind, kann ermessen, was eine Anwesenheite-quote von rund 70 Prozent bedeutet. Ohne Zweifel hat hier die Volkspartei ein Inteiligeinzx)otential toiistitutiona-lisiert, das sich sehen lassen kann, weninigleich es nicht dde Publizität der omdmösen 1400 Fachleute Kreisikys erreicht hat.

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