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Heraus aus den Sackgassen! od

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Nach der Prüfung der Schuld des „bürgerlichen Lagers“ (siehe „Die Furche“ Nr. 6/1963. — Die Red.) muß nun die andere Voraussetzung für Überwindung unseres „Februar-Traumas“ die österreichische Linke beibringen.

Sie hat sich bis jetzt im wesentlichen der Methode bedient, alle Schuld am 12. Februar 1934 auf den politischen Gegner zu häufen, dessen „Teufeleien“ sie mit dem reinen Gewissen einer Partei glaubte entgegentreten zu können, die sich für keine Diktatur zu verantworten hat.

Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß in einem Staat, dessen politische Struktur im wesentlichen aus zwei Grundkräften besteht, Schuld und Unschuld so reinlich verteilt sind, weil dergestalt korrespondierende Kräfte aufeinander einzuwirken pflegen, was ihnen notwendigerweise die Möglichkeit verwehrt, die Verantwortung für das politische Geschehen seit dem 18. November 1918 auf einen dritten Faktor abzuwälzen.

Es gibt aber noch ein anderes sehr plausibles Kriterium, an dem sich diese Mitverantwortung der Linken ablesen läßt: ihren Wechsel von der Opposition gegen den „bürgerlichen Klassenstaat“ vor 1934 zur Mitarbeit im „bürgerlichen Klassenstaat“ nach 1945. Diese Wendung um 18C Grad kann nur aus einer negativen Beurteilung der Erfahrungen verstanden werden, die der österreichische Sozialismus nach dem Jahre 1918 gemacht hat. Einer negativen Beurteilung nicht etwa nur in dem Sinn, daß man nach 1945 auf unerwünschte Folgen des Abseitsstehens von damals gestoßen ist, sondern auch in dem Sinn, daß man in diesem Abseitsstehen selbst eine der Ursachen des katastrophalen Endes der Ersten Republik erkannt hat.

Da aber die Linke sich immer als eine ideologisch fundierte politische Kraft verstanden hat, wird man nicht darum herumkommen, in diesem Zusammenhang ihre Ideologie aufs Korn zu nehmen.

Hier jedoch stößt man bereits auf die gleiche Zweideutigkeit, deren sich auch das bürgerliche Lager schuldig macht, wenn es zur Kennzeichnung des politischen Systems zwischen 1934 und 1938 statt Diktatur „autoritärer Staat“ sagt. Wir meinen das krampfhafte Bestreben der Linken, die Programmrevision von 1958 nicht als Einbekenntnis ideologischer Fehler zu deklarieren, sondern in diesem Zusammenhang von „Anpassung an die politische Wirklichkeit“, ja euphemistisch sogar von „geistiger Beweglichkeit“ und „Fortschritt“ zu reden, indessen es sich schlicht und einfach darum gehandelt hat, sich von politischen Irrtümern zu distanzieren.

Es handelt sich dabei genau um jene ideologische Fehlleistung, die der Ersten Republik das Leben so schwergemacht und dem Bürgertum den Vorwand geboten hat, die Sozialdemokratische Partei nach dem 12. Februar 1934 von jeder Mitbestimmung auszuschalten.

Der Sozialdemokratischen Partei bot sich im Sommer 1932 eine letzte Gelegenheit, ihre bisherige oppositionelle Haltung zum Staat einer grundlegenden Revision zu unterziehen. Damals stand im Parlament die 300-Millionen-Anleihe zur Debatte, die Bundeskanzler Dr. Dollfuß in Lausanne mit einer Reihe von Staaten, so mit Großbritannien, Frankreich, Italien und der Schweiz, ausgehandelt hatte. Die Anleihe diente der Sanierung des österreichischen Staatshaushaltes, der infolge der nach dem Jahre 1929 ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise neuerlich schwer notleidend geworden war.

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