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Wofür steht die ÖVP?

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Die Weisen sind wieder heimgezogen vom ÖVP-Dreikönigstreffen, ob „auf einem anderen Weg” - im übertragenen Sinn: mit einer anderen Einstellung als vorher — bleibt dahingestellt. Die Obmann-Debatte ist jedenfalls vorläufig abgesagt: Alle stehen hinter Erhard Busek (manche aber vielleicht schon mit dem Dolch im Gewände).

Es sieht so aus, als habe man sich zu der richtigen Einsicht durchgerungen, daß es zunächst darauf ankommt, von welchem Stern (welchem Leitbild) sich die Partei fuhren läßt, und dann erst, von welcher Person. Daß der ursprüngliche ÖVP-Leitstern Christentum - und was sonst hat je Bauernbund, Wirtschaftsbund und Arbeitnehmer in dieser Partei geeint? - immer mehr verblaßt ist, ließ ja (in diesem Fall nicht Hero-des und mit ihm ganz Jerusalem) immer mehr ÖVP-Anhänger und -Sympathisanten erschrecken und sich anderen Gruppierungen zuwenden.

Denn wer wollte leugnen, daß einzelne der nun von ÖVP-Gran-den wieder beschworenen christlichen Werte heute mehr mit anderen Parteien als mit der aus den „Christlich-Sozialen” hervorgegangenen Volkspartei verbunden werden: Zumindest verbal steht die SPÖ für soziale Gerechtigkeit und Solidarität, während Haiders FPÖ „für die Anständigen und Fleißigen” eintritt. Die Grünen beschränken die Nächstenliebe nicht nur auf Inländer und sind Anwälte der Umwelt, christlich gesprochen: der Schöpfung, während die Liberalen immerhin die Freiheit des Individuums betonen. Und wofür steht die ÖVP?

Natürlich auch für das alles, wird man dort argumentieren, aber mit Maß und Ziel, schön ausgewogen, ja nicht mehr, als es die Meinungsforschung für opportun erklärt. Denn es gibt ja auch andere Werte, deren Verteidigung großen Teilen des Wahlvolkes vielleicht noch wichtiger ist: Wohlstand, Sicherheit, Ruhe und Ordnung (ob dies vorrangig christliche Werte sind, ist eine andere Frage) - und natürlich die Familie.

Aber gerade am Beispiel Familie, einem der letzten christlichen Werte, den man in erster Linie mit der ÖVP verbunden hat, hat sich erwiesen, wie (kompro)miß-lich die Lage dieser Partei geworden ist. Schönen Lippenbekenntnissen sind — aus einem vom Wähler zu Recht nicht honorierten, sondern bestraften politischen Kalkül heraus - katastrophale politische „Umfaller” gefolgt.

Spaltungstendenzen in der ÖVP sind unverkennbar. Wird sie in eine Gold-Fraktion, die sich an wirtschaftlichen Zielen orientiert, eine Weihrauch-Fraktion, die sich an die kirchliche Hierarchie anlehnt, und eine Myrrhe-Fraktion, der salbungsvolle Reden und Ruhe und Ordnung über alles gehen, zerfallen? Oder wird den Weisen der ÖVP der gemeinsame Leitstern in einem Jahr deutlicher vor Augen stehen?

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