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Forschung auf Linie

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Die Volksabstimmung vom 5. November sei kein rechtes Referendum, sondern eine „Testwahl“ gewesen. Die Atomfrage sei von Opposition und Medien verpolitisiert worden, Kreiskys Rücktrittsdrohung habe nie stattgefunden. Dies sind Schwerpunkte einer streng geheimen „Studie zur Volksabstimmung über die friedliche Nutzung der Kernenergie in Österreich“, die mit der lapidaren Feststellung beginnt: „Sowohl die Volksabstimmung vom 5. November 1978 über das ,Zwentendorf-gesetz' als politischer Tatbestand als auch das Abstimmungsergebnis waren Resultate parteiopportunistischer Strategien...“

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Die Volksabstimmung vom 5. November sei kein rechtes Referendum, sondern eine „Testwahl“ gewesen. Die Atomfrage sei von Opposition und Medien verpolitisiert worden, Kreiskys Rücktrittsdrohung habe nie stattgefunden. Dies sind Schwerpunkte einer streng geheimen „Studie zur Volksabstimmung über die friedliche Nutzung der Kernenergie in Österreich“, die mit der lapidaren Feststellung beginnt: „Sowohl die Volksabstimmung vom 5. November 1978 über das ,Zwentendorf-gesetz' als politischer Tatbestand als auch das Abstimmungsergebnis waren Resultate parteiopportunistischer Strategien...“

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Dies sei das wichtigste Ergebnis der vorliegenden Studie. Und weiter: „Die parteiopportunistischen Strategien der beiden Großparteien bedingten einen derart starken Parteipolitisierungsprozeß der Kernenergie-Frage, daß das Abstimmungsverfahren zusehends mehr einer .Testwahl' zur bevorstehenden Nationalratswahl glich denn einer Abstimmung über eine Sachfrage.“

Am 30. Juli soll die Bevölkerung erfahren, wie es damals „wirklich“ war: Im Presseclub Concordia wird jene Studie präsentiert, derzufolge Bruno Kreisky seinen Rücktritt keineswegs mit dem Ausgang der Volksabstimmung in Zusammenhang gebracht habe: „Eine fälschlicherweise von der Presse als Rücktrittsdrohung kolportierte Äußerung des Bundeskanzlers hatte den bereits bestehenden Prozeß der Verpartei-politisierung der KKW-Frage abgeschlossen ...“, meinen die Autoren der Studie.

„Ich möchte nicht sagen, daß ich sicher nicht zurücktrete, wenn die Atomvolksabstimmung mit Nein ausgeht. Denn ein Nein ist eine Niederlage für die Regierungspolitik“, zitierte etwa der „Kurier“ vom 24. Oktober 1978 den Kanzler.

Und der parteioffizielle Presseinformationsdienst Sozialistische Korrespondenz schrieb am 24. Oktober „Kreisky wollte sich für diesen Fall nicht darauf festlegen, ob er von seinem Amt zurücktreten werden...“.

Wer irrt hier? Wer hat die Korrektur besteht?

Als Präsentator firmiert die österreichische Gesellschaft zur Förderung der Forschung, deren Präsident niemand geringerer ist als der sozialistische Zentralsekretär Karl Blecha. Die Materialien zur Studie lieferte das SP-nahe IFES (Institut für empirische Sozialforschung), und der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist wohl nicht von ungefähr gewählt.

Der Versuch der FURCHE, eine bezügliche Stellungnahme aus der SPÖ-Zentrale einzuholen, mußte scheitern. Die Partei schweigt, Karl Blecha war tagelang nicht zu sprechen.

Verstärkt wird die Vermutung der Rotlastigkeit der Studie durch nachfolgenden Passus:

„Dennoch schlug die relativ deutliche Nein-Empfehlung der ÖVP-Füh-rung zur Zwentendorf-Abstimmung von allen Parteien am stärksten auf die Parteibasis durch: Nur 9 Prozent der ÖVP-Sympathisanten stimmten mit Ja, während 13 Prozent der SPÖ-Sympathisanten, deren Führung eine massive Mobilisierung für ein Ja-Votum angestrengt hatte, gegen das KKW gestimmt haben.“

Und einer der Autoren der Studie, der Politologe Dr. Hannes Wimmer, schloß keinesfalls aus, daß eine Wiederholung der Volksabstimmung ein völlig anderes Resultat erbringen würde, stehe es doch nachweisbar fest, „daß die Parteipolitisierung das Resultat ergeben hat“.

Forschung auf Linie?

Während Politiker aller Couleurs unisono und stereotyp den Gedanken einer neuerlichen Atomdiskussion und Volksabstimmung weit von sich weisen, zeigen die Medien Beharrlichkeit. Und die Energiewirtschaft nicht minder. Es vergeht kaum ein Tag ohne Spekulationen:

Hartnäckigen Gerüchten zufolge liegen neue Atompläne fix und fertig in den Laden derLobbies. Bleibt abzuwarten, welche Strategien das Ergebnis der Volksabstimmung „korrigieren“ sollen.

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