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Hochkonjunktur hält an: Aber nur beim Schuldenmachen

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Wirtschaftspraktiker aus der Verstaatlichten Industrie und aus der Privatwirtschaft konstatieren es - im Gegensatz zu den damals noch optimistischen Konjunktur-Wetterfröschen - bereits Ende Oktober: die internationale Szenerie, die mit Verspätung stets auch ihre Schatten auf Österreich wirft, ließ es schon vor Monaten befürchten; und der jüngste Monatsbericht des Instituts für Wirtschaftsforschung bestätigt es nunmehr schwarz auf weiß: Der in diesem Jahr erst zaghaft begonnene Konjunkturaufschwung leidet unter Atemnot, scheint schon wieder vor seinem Ende zu stehen.

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Wirtschaftspraktiker aus der Verstaatlichten Industrie und aus der Privatwirtschaft konstatieren es - im Gegensatz zu den damals noch optimistischen Konjunktur-Wetterfröschen - bereits Ende Oktober: die internationale Szenerie, die mit Verspätung stets auch ihre Schatten auf Österreich wirft, ließ es schon vor Monaten befürchten; und der jüngste Monatsbericht des Instituts für Wirtschaftsforschung bestätigt es nunmehr schwarz auf weiß: Der in diesem Jahr erst zaghaft begonnene Konjunkturaufschwung leidet unter Atemnot, scheint schon wieder vor seinem Ende zu stehen.

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Auf die Frage, was im Falle einer neuerlichen Rezession zu geschehen habe, gab Handelsminister Josef Sta-ribacher bereits eine Antwort, die ganz auf der Linie des Finanzministers liegen dürfte: „Deficit spending“ und noch einmal „Deficit spending“. Mit einer derartigen Lumpazivagabundus-Mentalität werden aber keine Probleme gelöst. Durch die öffentliche Hand mehr auszugeben, als eingenommen werden kann, ist eine Methode, welche nur zur Uberbrük-kung vorübergehender Konjunkturpannen optimal anwendbar ist, nicht aber als Dauerinstrüment der Wirtschaftspolitik Verwendung finden darf.

Der Kardinalfehler der österreichischen Wirtschaftspolitik der siebziger Jahre besteht nun einmal darin, daß die Periode einer exzessiven Hochkonjunktur nicht dazu genutzt worden ist, die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen und die Wirtschaftsstruktur zu verbessern: Stattdessen trieb die Regierung den Staat in Erwartung einer ewigen Hochkonjunktur in immer neue Schulden - und das zu einer Zeit, in der das Menetekel der Rezession längst an der Wand geschrieben stand.

So traf Österreich der Konjunkturrückschlag total unvorbereitet. Ja, er wurde durch die zuständigen Politiker in höchst dubioser Manier noch damit „abgewehrt“, daß man ihn als vorübergehenden Einbruch bezeichnete, auf den die nächste Hochkonjunktur

mit naturwissenschaftlicher Zwangsläufigkeit folgen müßte. Man betrieb einfach „Deficit spending“ bis zum Exzeß und verließ sich im übrigen darauf, die Schulden im nächsten Boom wieder abschütteln zu können.

Der große Boom ist ausgeblieben, nur die großen Defizite lassen sich nicht mehr abschütteln.

Und in dieser Situation fällt den Politikern nichts anderes ein, als dem neueriichen Konjunkturrückschlag mit noch höheren Defiziten begegnen zu wollen.

Bedauerlicherweise fehlt den Politikern der Mut zur Konfrontation mit den Tatsachen und zum Abschied von Illusionen. Dies übrigens nicht nur in Österreich. Die vor einigen Tagen abgeschlossene Konferenz der Sozialistischen Internationale in Genf hat dies wieder mit alarmierender Deutlichkeit unterstrichen.

Dem deutschen Kanzler Helmut Schmidt, der ein offenes Wort zur Situation riskierte, warf man Arroganz, mangelnde Solidarität und noch Schlimmeres vor. Nicht viel hat gefehlt, und die empörten Delegierten hätten ihn hinausgeschmissen.

Bruno Kreisky und der Holländer Joop den Uyl haben sofort die Herzen des Auditoriums gewonnen, indem sie den Wirtschaftspolitikern ihrer Parteien die totale Absolution gewährten und alle Schuld auf die nebulosen Buhmänner „Spekulanten“ und „Multinationale“ schoben.

Das Deprimierende an der aktuellen Situation sind nicht so sehr die ökonomischen Fakten als die Verbohrtheit der verantwortlichen Wirtschaftspolitiker, die sich weigern, falsche Konjunkturrezepte abzulegen. Ein Schmidt allein macht noch keine wirtschaftliche Vernunft, weder in Deutschland noch international gesehen.

Mag sein, daß die österreichische Regierung die tatsächliche Situation noch ein paar Jahre kaschieren und mit ihrer „erfolgreichen“ Wirtschaftspolitik noch einmal Nationalratswahlen gewinnen kann. Aber das böse Erwachen kommt bestimmt - und zwar um so böser, je länger eine neue Weichenstellung hinausgeschoben wird.

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