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Jörgensens „Höllenfahrt“

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Dänemarks Minderheitsregierung unter dem Sozialdemokraten Anker Jörgensen befindet sich wahrhaftig in keiner beneidenswerten Lage. Angewiesen auf die Stimmenhilfe der „Sozialistischen Volkspartei“ (SF) und einiger Abgeordneter von den atlantischen Inseln — die ihr alle zusammen doch nur ein knappe Mehrheit von ein oder zwei Stimmen geben können —, sieht sie sich gezwungen, eine schon von der Regierung Krag eingeleitete Politik zu führen, die von ihren Hilfstruppen

im Parlament oft hart kritisiert wird. Als besonders unheilvoll wirken sich dabei jene Preiserhöhungen auf dem Lebensmittelsektor aus, die einwandfrei auf die in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geführte Agrarpolitik zurückgeführt werden können. Und diese Preiserhöhungen treffen jene Bevölkerungskreise am härtesten, aus denen sich die Wählerschaft der Arbeiterpartei rekrutiert.

Die erhöhten Verbrauchssteuern und die Preiserhöhungen auf dem Lebensmittelsektor haben den Inhalt der Brieftaschen der Minderbemittelten in einem Tempo zusammenschmelzen lassen, das die linkssozialistische Hilfstruppe Jörgensens im Parlament zur Revolte verlanlaßt hat. Auf einer Landeskonferenz in Kopenhagen ließ die Leitung der SF keinen Zweifel daran bestehen, daß sie bereit sei, die sozialdemokratische Minderheitsregierung zu stürzen. Man verlangt in harten Worten einen sofortigen und wirkungsvollen Kampf gegen die Inflation, gegen die Spekulation und gegen Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Steuerlasten. Weiters forderte man Regierungserfolge im sozialistischen Sinne „schon in der allernächsten Zukunft“, also spätestens in den ersten Monaten der nächsten Parlamentsperiode, ferner eine „Demokratisierung“ des Wirtschaftslebens und eine Vermenschlichung der Produktion. Einer der führenden Männer der SF erklärte unter Beifall, daß man keinen Finger mehr rühren werde, um die „Höllenfahrt dieser Sozialdemokratie und ihrer Regierung“ zu verhindern.

Auch seitens der liberalen Venstre

kam eine klare Warnung des Inhaltes, . daß man nun in dieser Partei vor einem Sturz der Regierung, Neuwahlen, und auch vor einem Erscheinen der Steuerverweigerer des politischen Rattenfängers Glistrup im Parlament nicht mehr zurückschrecke, auch dann nicht, wenn Glistrup wirklich 21 oder 26 Prozent der Wählerschaft für sich gewinnen sollte, wie die Meinungsforscher behaupten. Vielleicht würde das für die etablierten alten Parteien einen heilsamen Schock bedeuten und die politischen Fronten wieder einmal in Bewegung bringen.

Zu allen diesen inneren Sorgen kommen in den letzten Tagen auch noch scharfe Proteste der internationalen Organisationen der Piloten und Luftfahrtgesellschaften aus aller Welt, in denen die Festsetzung einer Flugabgabe von 80 Dänenkronen bei einer Überfliegung der dänischen Grenze als beispiellos und absolut unanehmbar bezeichnet wird. An der Spitze der Protestierenden steht hier die Luftfahrtorganisation LAOPA, die 200.000 Mitglieder zählt. Auch der Königlich-Schwedische Aero-Club gesellte sich zu den Protestierenden und wandte sich dagegen, daß sich die Flugabgaben für Schweden, die Dänemark überfliegen, um das Zehnfache erhöht haben. Auch die verordnete Anschaffung eines bestimmten Abstandsmessungsgerätes wird scharf kritisiert, da dieses ein Privatflugzeug um 10.000 Dänenkronen verteuern würde.

Es erhebt sich die Frage, wie lange die Regierung Jörgensen diesen von allen Seiten wehenden Stürmen wird standhalten können.

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