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In Marokko stimmten 98 Prozent der rund fünf Millionen Wahlberechtigten, nach dem in Rabat veröffentlichten amtlichen Endergebnis der Volksabstimmung, für die Annahme der von König Hassan II. vorgelegten neuen Verfassung! Die Bevölkerung ignorierte damit den Boykottaufruf der in der „EI-Kutlah El-Watania“ („Nationale Front“) zusammengeschlossenen beiden wichtigsten ppösitionspäfMen „Union * Nationale des Forces Populaires“ (UNFP) und „Istiklal“. Das Abstimmungsergebnis entspricht ziemlich genau dem des Volksentscheides von 1970, durch den die Bevölkerung erste politische Mitspracherechte erhalten hatte. Damals behauptete die Opposition, auf ein solches Ergebnis könnte selbst das Ulbricht-Regime stolz sein und bezichtigte Monarch und Regierung offen der Wahlfälschung.

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In Marokko stimmten 98 Prozent der rund fünf Millionen Wahlberechtigten, nach dem in Rabat veröffentlichten amtlichen Endergebnis der Volksabstimmung, für die Annahme der von König Hassan II. vorgelegten neuen Verfassung! Die Bevölkerung ignorierte damit den Boykottaufruf der in der „EI-Kutlah El-Watania“ („Nationale Front“) zusammengeschlossenen beiden wichtigsten ppösitionspäfMen „Union * Nationale des Forces Populaires“ (UNFP) und „Istiklal“. Das Abstimmungsergebnis entspricht ziemlich genau dem des Volksentscheides von 1970, durch den die Bevölkerung erste politische Mitspracherechte erhalten hatte. Damals behauptete die Opposition, auf ein solches Ergebnis könnte selbst das Ulbricht-Regime stolz sein und bezichtigte Monarch und Regierung offen der Wahlfälschung.

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Dieser publikumswirksame Vorwurf, der über die absolute Niederlage der beiden heterogenen Oppositionsparteien einen barmherzigen Mantel wirft, traf auf die letzte sicher ebensowenig zu wie auf diese Abstimmung. Es ist vielmehr so, daß die Wahlberechtigten überwiegend so stimmen, wie es ihnen von den lokalen Autoritäten empfohlen wird, Man muß allerdings hinzufügen, daß gerade die konservative Landbevölkerung keineswegs an einer Änderung des gegenwärtigen politischen Systems interessiert ist und nach wie vor das verläßliche Rückgrat des scherifischen Königsthrons darstellt.

Während der Abstimmung kam es im ganzen Land zu keinem einzigen Zwischenfall. Die „Nationale Front“ hatte sich nach ihrem in den letzten Februartagen in der Oppositionspresse veröffentlichten Boykottaufruf zurückgehalten. Das trug ebenfalls zur Abkühlung der innenpolitischen Atmosphäre bei, wie der milde Ausgang des Hochverratsprozesses von Kenitra. Obwohl der Militärankläger gegen die 1081 Angeklagten wegen des gescheiterten Rutsches vom Juli vorigen Jahres 25 Todes- und 26 lebenslängliche Zuchthausstrafen beantragt hatte, erging zuletzt nur ein einziges Todesurteil. König Hassan wird es erwartungsgemäß in eine zeitlich begrenzte Haftstrafe umwandeln. Zum Schluß saßen nur noch 51 Beschuldigte auf der Anklagebank, und der Monarch hatte kurz vor der Urteilsverkündung noch einmal klargemacht, daß er keine Rachejustiz wünsche. Infolgedessen war es dem Gericht leichtgefallen, der Argumentation der Verteidigung zu folgen, wonach Befehlsnotstand anzunehmen und in keinem einzigen Fall individuelle Schuld nachzuweisen sei.

Am Donnerstag hörte man aus Oppostionskreisen, daß der König trotz des Boykottaufrufes von UNFP und „Istiklal“ noch immer die Chance habe, die „Nationale Front“ zur Mitarbeit an der politischen Neugestaltung des Magriblandes zu gewinnen. Entscheidend sei nicht so sehr der von der Bevölkerung einmütig gutgeheißene Verfassungstext, sondern die Verfassungswirklichkeit. Das neue Grundgesetz sieht die Volkswahl von zwei Dritteln (bisher ein Drittel) der Parlamentsabgeordneten vor. Der Rest wird von den ständischen Organisationen und der Krone ernannt. Die Regierung soll künftig dem Parlament und nicht mehr allein dem König verantwortlich sein und auch vom Parlament abberufen werden können. Das Recht des Monarchen zur Parlamentsauflösung und der Alleinregierung mit diktatorischen Vollmachten im Notstandsfall ist Bestandteil auch der neuen Verfassung.

Die Opposition macht ihre Mitarbeit jetzt vom Verlauf der in nächster Zukunft erforderlichen Parlamentsneuwahlen abhängig. Da Hassan weiß, daß die Entscheidung über die Zukunft seines Thrones nicht bei der ihm treu ergebenen Landbevölkerung liegt, sondern beim städtischen Mittelstand und der Intelligenz, dürfte er jetzt in verstärktem Maß um die Mitarbeit der „Nationalen Front“ werben.

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