Demokratie, Politik und Medien: Die Sau durchs Dorf jagen
Österreichs Zivilgesellschaft ist wachsam: Das ist die erfreuliche Lehre aus den letzten Tagen. Weniger erbaulich ist die niedrige Lernkurve von Parteien und Medien. Eine (Selbst-)Anklage.
Österreichs Zivilgesellschaft ist wachsam: Das ist die erfreuliche Lehre aus den letzten Tagen. Weniger erbaulich ist die niedrige Lernkurve von Parteien und Medien. Eine (Selbst-)Anklage.
Es war ein beeindruckendes Zeichen zivilgesellschaftlicher Lebendigkeit: Über 35.000 Menschen versammelten sich Freitag vergangener Woche vor dem Parlament, um gegen Rechtsextremismus und offenbar gewordene Säuberungsfantasien zu demonstrieren. Die herbeigeströmten Menschen trotzten nicht nur Regen und Kälte, sondern auch vorauseilenden Unkenrufen, dass sich wohl nur ein überschaubares Grüppchen auf dem Wiener Ring versammeln würde. Doch nein, Österreichs Zivilgesellschaft kam in Scharen. Und das ist eine wirklich gute Nachricht.
Getrübt wird sie freilich von so manchen Ausfransungen, die sich bei der Manifestation selbst zeigten: Da waren nicht nur Störenfriede, die mit palästinensischen Fahnen gegen den „Apartheids“-Staat Israel demonstrierten. Da waren auch rechtsextreme Identitäre, die unbehelligt das Dach des benachbarten Palais Epstein erklimmen und ihren Slogan „Remigration“ mit bengalischen Feuern ausleuchten konnten. Ein Armutszeugnis für Staatsschutz und Polizei.
Getrübt wird die Freude aber auch dadurch, dass diese Demonstration des Widerstands – anders als in Deutschland – nicht von der breiten Mitte getragen wurde und es keinen parteiübergreifenden Schulterschluss gab. Grüne und SPÖ sprangen zwar auf, Neos und ÖVP hielten sich aber zurück – mit dem Argument, es sei nicht klar gewesen, ob es gegen „rechtsextrem“ oder nur „gegen rechts“ gegangen sei. Und „rechts“ sei ja bekanntlich alles, was nicht links sei.
Kickl als „rechtsextremer“ Solist?
Das ist tatsächlich ein Punkt. Dennoch ist die Situation zu ernst, um dieses (bewusste?) Missverständnis weiter zu prolongieren. Längst müssten auch Liberale und Konservative die liberale Demokratie mit Verve verteidigen. Aber tun sie das?
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