Was einen Kanzler Kickl verhindert: Gedenken. Und handeln

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Rund um den 8. Mai wurde vielfach vor einem Erstarken autoritärer Kräfte gewarnt. Erinnerung ist wesentlich, doch ebenso nötig ist eine tatkräftige, konstruktive Politik.

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Rund um den 8. Mai wurde vielfach vor einem Erstarken autoritärer Kräfte gewarnt. Erinnerung ist wesentlich, doch ebenso nötig ist eine tatkräftige, konstruktive Politik.

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Es waren die Tage des Erinnerns – und der mahnenden Worte: Beim „Fest der Freude“ zum 78. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus rief der Bundespräsident am Wiener Heldenplatz zu Zivilcourage auf. „Sprachliche Attacken sind der Vorschlaghammer, mit dem die Mauer des Humanismus mürbe geschlagen wird“, warnte Alexander Van der Bellen. Wen er damit meinte – wohl FPÖ-Chef Herbert Kickl, der ihn selbst als „senile Mumie“ verunglimpft hatte –, war klar. Er musste ihn nicht extra beim Namen nennen.

Deutlich expliziter waren ein paar Tage zuvor die Worte von Michel Friedman ausgefallen. Bei einer Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Mauthausen im Parlament sprach der streitbare deutsche Philosoph mit Blick auf die FPÖ von „Antidemokraten“, von einer „Partei des Hasses“, die nicht allen Menschen Würde zubillige – und von einer ÖVP, die diese Partei durch zweimalige Regierungsbeteiligung „gekoschert“ habe. Die Aufregung über diese Worte, die den Rahmen der sonst üblichen Erinnerungsrhetorik sprengten, war groß. Durfte man so sprechen? Friedman durfte, ja er musste Tacheles reden, auch seiner eigenen Familiengeschichte wegen. Dazu eingeladen hatte ihn übrigens Wolfgang Sobotka – jener Nationalratspräsident, der zur Parlamentseröffnung Wolfgang Schäuble um die Festrede gebeten hatte. Ein Freund klarer Worte ist Sobotka jedenfalls. Auch wenn ihm Friedmans Rede wohl kaum behagte.

Unglaubwürdiger Schrecken

Jedes Gedenken, jedes „Nie wieder!“ müsse glaubwürdig sein, lautete Friedmans zentrale Forderung. Doch was heißt das für die aktuelle Politik? Geht es darum, einen Cordon Sanitaire um die radikalisierte Kickl-FPÖ einzurichten, so hat sich die Volkspartei von diesem Ansinnen längst verabschiedet. Nach Niederösterreich schickt man sich nun auch in Salzburg an, mit ihr gemeinsame Sache zu machen. Vergessen Wilfried Haslauers Warnung, dass auch Marlene Svazek „Kickl im Gepäck“ habe. Und nur mehr mäßig glaubwürdig jenes große „Erschrecken“, das Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) angesichts eines Bundeskanzlers Herbert Kickl in der Kleinen Zeitung bekundet. Zu sehr hat man diesem personifizierten Schreckgespenst längst den Boden bereitet, indem man in einer verqueren Doppelstrategie seine Lieblingsthemen und Narrative übernimmt – um es gleichzeitig zu verteufeln.

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