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Linzer Stoppsignal
Der oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende und Linzer Bürgermeister, populär wegen seiner Urtümlichkeit, profiliert sich zur rechten Zeit auf höherer Ebene. Was eigentlich niemand erwartet hatte: der prominente Sozialist sprach sich klar für ein neuerliches Überdenken der sogenannten Fristenlösung aus, die von der SPÖ bei der Reform des Strafrechtsparagraphen 144 angesteuert wird. Zumindest sollte eine Entscheidung erst nach den Wahlen in Oberösterreich fallen.
Der oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende und Linzer Bürgermeister, populär wegen seiner Urtümlichkeit, profiliert sich zur rechten Zeit auf höherer Ebene. Was eigentlich niemand erwartet hatte: der prominente Sozialist sprach sich klar für ein neuerliches Überdenken der sogenannten Fristenlösung aus, die von der SPÖ bei der Reform des Strafrechtsparagraphen 144 angesteuert wird. Zumindest sollte eine Entscheidung erst nach den Wahlen in Oberösterreich fallen.
Mit dieser Erklärung vor der Fernsehkamera am 22. Juni hat Hillinger zweifellos Mut bewiesen, den er bei aller in der SPÖ gern zur Schau getragenen demokratischen Diskussionsgesinnung im innerparteilichen Bereich gerade wegen seiner Äußerung auch weiter dringend brauchen wird.
Hillinger, bisher als Parteiführer eher farblos, hat, so scheint es, instinktiv reagiert. Er dürfte spätestens nach der eindrucksvollen Kundgebung der „Aktion Leben“ Ende Mai auf dem Linzer Hauptplatz erkannt haben, daß die Fristenlösung für die Bevölkerung mehr bedeutet als irgendeine andere Rechtsreform.
Mit Sicherheit darf auch daher angenommen werden, daß sich die Sozialisten ihre Ausgangsbasis für die oberösterreichischen Landtagswahlen am 21. Oktober selbst stark schmälern, wenn sie weiterhin so wie bisher unbeirrbar auf dem Fristenlösungskurs bleiben. Hillinger dürfte um die Gefährlichkeit des gegenwärtigen Meinungsstreites und eines starren Verharrens auf dem offiziellen SPÖ-Standpunkt wissen. Er hat daher, wird vermutet, die Konsequenz gezogen.
Aus dem Lager der politischen Gegner, vor allem aus dem „Schießstand“ der ÖVP, wird es an Aufklärungspfeilen für. diesen plötzlichen Gesinnungswandel nicht fehlen. Schließlich hat gerade Hillinger unter dem in katholischen Kreisen als sehr fadenscheinig betrachteten Hinweis auf eine mögliche Verbreitungsgefahr der Maul- und Klauenseuche für eine Absage der Anti-Fristenlösungs-Demonstration der „Aktion Leben“ in Linz plädiert.
Deshalb wird in Oberösterreich die Prüfungsanregung des SP-Chefs hinsichtlich der §-144-Reform eher als wahltaktisches Manöver gewertet.
Hillinger gab auch selbst Anlaß für eine solche Beurteilung, indem er ziemlich eindeutig den Zusammenhang mit den Herbstwahlen zum Ausdruck brachte. Verwirrung hinterließ dabei aber auch seine Aussage, selbst „nicht grundsätzlich“ gegen die Fristenlösung zu sein. Das wird denn doch eher als bloße Verzögerung der von der SPÖ in dieser Frage angepeilten Lösung ausgelegt werden müssen. Letztlich stellt man sich daher die Frage, was Hillinger mit diesem Vorstoß wirklich bezwecken will.
Ungeachtet der Folgen — ob nun ein möglicher, naher Parlamentsbeschluß durch den Einspruch des oberösterreichischen Sozialistenchefs sistiert wird oder nicht — hat die öffentliche Erklärung Hillingers gezeigt, daß er daran ist, die Zügel fester in die Hand zu nehmen. In der Wiener Zentrale wird man zur Kenntnis nehmen müssen, daß der joviale Linzer nicht gerade der aller-bequemste Mann ist. Hillinger weiß, was auf dem Spiel steht, und er hat aus den Reaktionen der Wähler in Graz und Kärnten ganz offensichtlich gelernt — schneller als man dies anderswo zu tun scheint, wo man schwerer die Antworten der Bevölkerung auf Maßnahmen von oben, die sie nicht will, begreift.
Außerdem ist die politische Rollenverteilung in der oberösterreichischen SPÖ in klarere Formen als bisher gebracht worden. Nicht der Spitzenkandidat für die Landtagswahl, SP-Landeshauptmann-Stell-vertreter Fridl, ist der starren Bundeslinie entgegengetreten, sondern der Linzer Bürgermeister Hillinger. Hillinger beginnt damit, in der Öffentlichkeit bestehende Zweifel an seiner tatsächlichen Führungsposition zu beseitigen.
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