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Maß-Politiker

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Solche Sorgen wie Ihr in Österreich haben wir in Bay- ern nicht. Aber dafür andere. Während bei Eurer ÖVP an- scheinend kein neuer in die Regierung rein will, möchte bei uns kein alter Minister aus der Regierung raus.

Unser Ministerpräsident Max Streibl hat ein triumpha- les Wahlergebnis von knapp 55 Prozent der Stimmen erzielt, das selbst Strauß heute nicht mehr erreichen hätte können.

Doch jetzt hat Streibl ein Ka- binett voller „Erfolgs-Mini- ster", von denen jeder der ei- gentliche „Vater des Sieges" ist und infolgedessen absolut unentbehrlich.

Nur Finanzminister Gerold Tandler, den Streibl zwar nicht so unbedingt loswerden, aber auch nicht halten wollte, geht in die Privatwirtschaft, um mindestens das Doppelte zu verdienen.

Einen freien Sessel ohne Ge- waltanwendung erhält Streibl auch dadurch, daß sein bishe- riger Staatssekretär in der Bayerischen Staatskanzlei, Wilhelm Vorndran, zum neuen Landtagspräsidenten gewählt wird. Ein solider, fleißiger und unpolemischer „ Verwaltungs- Politiker" von 66 Jahren, den mit Recht noch niemand kennt.

Gerade die älteren, teilweise verbrauchten und von den neuen Aufgaben der Zukunft weitgehend überforderten, scheinen Saugnäpfe am Hin- terteil zu haben. Sie krallen sich mit beiden Backen auf ihren Ministersesseln fest, ver- breiten Gesundheits-Atteste und drohen unverhohlen mit „Zusammenrottung" ihrer Bezirksverbände, wenn sie etwa nicht Minister bleiben dürften. Beiihren Verdiensten!

Da scheint ein weitverbrei- tetes - und auch in Österreich nicht ganz unbekanntes - Miß- verständnis der Demokratie vorzuliegen. Minister wird man, um die in den jeweiligen Ressorts anstehenden Proble- me des Gemeinwesens für die nächsten Jahre zu bewältigen.

Viele Partei-Honoratioren sind hingegen der Auffassung, daß man als Belohnung für ein gutes Wahlergebnis und für seine früheren Verdienste Minister werden muß. Dabei rechnen sie sich aber gern al- les, was ihr Ministerium ohne- hin erledigen oder der Staat fi- nanzieren hätte müssen, als ihr persönliches Verdienst an.

Aber an jedem Mißerfolg der Partei sind nur die anderen oder die widrigen Umstände schuld. Keiner erkennt sich selbst als widrigen Umstand, der neue Ideen, neue Köpfe und neuen Elan mit seinem Sitz- fleischverhindert hat. Oder der einfach die Wähler nicht mit- reißen konnte.

Während der bayerische CSU-Erfolg unendlich viele Väter hat, gibt es um den Miß- erfolg der ÖVP noch einen Vaterschaftsstreit. Einer allein kann gar nicht so viel Mißer- folg haben.

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