6921144-1981_45_04.jpg
Digital In Arbeit

Politik auf TV-Niveau

19451960198020002020

Vom 6. bis zum 8. November trafen sich Politologen in Salzburg zum Thema „Politikwissenschaft und politische Praxis“. Fritz Plasser steuerte dort einen ebenso bemerkenswerten wie provozierenden Diskussionsbeitrag bei.

19451960198020002020

Vom 6. bis zum 8. November trafen sich Politologen in Salzburg zum Thema „Politikwissenschaft und politische Praxis“. Fritz Plasser steuerte dort einen ebenso bemerkenswerten wie provozierenden Diskussionsbeitrag bei.

Werbung
Werbung
Werbung

Wie in den Vereinigten Staaten hat auch in Österreich die innenpolitische Auseinandersetzung und das Verhalten der politischen Akteure den Charakter eines permanenten Wahlkampfes angenommen.

Die Eigengesetzlichkeiten des permanenten Wahlkampfes, seine extreme Medienorientierung mit dem Zwang, täglich mehrere „bedeutungsvolle“ Erklärungen, Stellungnahmen oder Kommuniques abzugeben, haben auch den Arbeitsstil und die Arbeitsweise der zentralen Parteistäbe geprägt.

Die Serienproduktion von kurz

atmigen und in der Regel tagsbezogenen Meldungen und Aussagen, haben die langfristige Planung und Formulierung politischer Linien und sachpolitischer Vorschläge tendenziell in den Hintergrund gedrängt. Der quantitative Informationsbedarf der Medien führt immer häufiger zum „Verkauf“ unausgereifter bzw. innerparteilich nur mangelhaft koordinierter Vorschläge und Stellungnahmen, die das politische Handeln als vordergründiges Taktieren erscheinen lassen.

Von entscheidender Bedeutung für das „neue“ Politikverständnis der Öffentlichkeit, das sich erheblich vom Verständnis und der

Wahrnehmung politischer Prozesse in früheren Jahrzehnten unterscheidet, ist die Visualisierung der Politik. Das Fernsehen hat eine neue politische Wirklichkeit geschaffen, die Politik als ein Ritual erscheinen läßt und Konflikte auf ein Spiel zwischen Personen reduziert.

Die Monotonisierung der Politik, der lähmende Uberschuß täglich wiederkehrender informationeller Archetypen, die verkrampfte Selbstdarstellung von Politikern und Funktionären vor dem sterilen Hintergrund der Studiowand haben das plastische Bild einer politischen Wirklichkeit entstehen lassen, die von den elektronischen Medien produziert wurde.

Denn nicht die Politiker sind aus eigenem Antrieb zu Medienpersönlichkeiten geworden, sondern sie wurden vom einflußreichsten aller Medien, dem Fernsehen, in diese Rolle gedrängt. Ih

re Persönlichkeit, ihre Originalität und ihr unverwechselbarer Habitus, wurden den technischen Eigengesetzlichkeiten der elektronischen Medienmacht untergeordnet.

Die Konsequenzen dieser informationeilen Revolution für den politischen Kommunikationsprozeß dürften vielschichtig und weitreichend sein:

• Die Dominanz der „großen“ Medien hat die traditionellen politischen Informationskanäle obsolet gemacht. Der Verfall und das Siechtum der Parteizeitungen hat den Parteien den letzten autonomen Zugang zur Öffentlichkeit versperrt. Die Kommunikationsleistung der politischen Parteien wurde auf die Aussendungen der parteieigenen Pressedienste und auf das rituelle Veranstalten von Pressekonferenzen beschränkt.

• Die sukzessive Austrocknung der innerparteilichen Kommunikationskanäle, die mit der Rasanz und technischen Brillanz der „großen Medien“ nicht einmal ansatzweise mithalten können, hat den politischen Willensbildungsprozeß und den innerparteilichen Diskussionsprozeß auf die abendliche Konsumation der TV-Nach- richten beschränkt…

• Die extreme Personalisierung des politischen Geschehens in den elektronischen Massenmedien hat das Niveau des politischen Diskurses spürbar verflacht. In der politischen TV-Wirklichkeit werden abstrakte Begründungen für ein bestimmtes Handeln, historische oder theoretische Bezüge und Reflexionen, in das intellektuelle Ghetto von Spätabendprogrammen verbannt.

Am Unvermögen des Mediums, den ideologischen Kontext von Politik zu symbolisieren und zu visualisieren, wird Politik seltsam steril aufbereitet, als beiläufige Tageserklärung präsentiert bzw. auf die psychischen Dispositionen der Akteure zurückgeführt.

• Die politische Berichterstattung im Fernsehen hat nicht nur das traditionelle Politikverständnis weitreichend verändert, sondern auch die Wahrnehmung politischer Konflikte trivialisiert. Wenn politische Konflikte und seriöse sachpolitische Differenzen auf Stilfragen reduziert und mittels der Kategorien Sympathie versus Antipathie dargestellt werden, der politische Konflikt als Spiel zwischen Personen inszeniert wird, bekommt er den Anstrich des spielerisch Unernsten.

Konflikte werden dann nicht mehr als alternative politische Handlungsoptionen wahrgenommen, sondern als persönliche Vergehen gegen die politischen Spielregeln gewertet. Die Reduktion von Politik auf Stilfragen trägt zu ihrer Trivialisierung bei.

Die spürbaren Entfremdungserscheinungen, die zunehmende Distanz zwischen Wählern und Gewählten und das Mißtrauen und die skeptische Grundeinstellung der Bevölkerung zur Politik und zum politischen Geschehen hängen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mit dem exklusiven politischen Kommunikationsritual zusammen, das die Bevölkerung von seinen esoterischen Sprach- spielen ausschließt.

Der Autor ist Leiter der Grundlagenforschung in der OVP-Bundesparteileitung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung