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Schlag gegen links
Mindestens neunzig prominente Funktionäre der Einheitspartei ..Arabische So/.ialistischiMlfc'tJnion'',darunter vor inrem'^nfehrende Journalisten und andere Intellektuelle, verloren durch die von den Studentenunruhen im Dezember vorigen Jahres ausgelösten Säuberungsmaßnahmen in den letzten Wochen ihren politischen Status in Ägypten. Da der Verlust der ASU-Mitgliedschaft gleichbedeutend ist mit dem Ende der beruflichen Tätigkeit, bedeutet das für die Betroffenen das Ende der sozialen Existenz. Diplomatische Kreise in der ägyptischen Hauptstadt sehen in dieser Säuberungswelle, der umfangreichsten seit der Entmachtung der Linksfraktion uhter dem inzwischen gestürzten und zu einer langjährigen Zuchthausstrafe verurteilten ehemaligen Vizepräsidenten Ali Sabri, das bisher stärkste an den Westen gerichtete Signal, daß Ägypten den Nahostkonflikt durch eine Vernunftregelung beenden und zu einer prowestlichen Außenpolitik zurückkehren möchte.
In Kairo weisen offizielle Kreise darauf hin, daß der Parteiausschluß prominenter Intellektueller keineswegs, wie zu nasserdstischer Zeit, mit Inhaftierung oder Vernichtung der physischen Existenz verbunden sei. Das Regime versucht zudem, den Eindruck zu erwecken, als richte sich die Säuberungsaktion gleichermaßen gegen linke wie rechte Abweichler. Die Namen der aus der ASU Hinausgesäuberten beweisen aber einwandfrei, daß die Maßnahmen der Regierung sich ausschließlich gegen Linke oder der Sympathie mit Linksabweichlern Verdächtige richten. Dabei geht es keineswegs um angebliche oder tatsächliche Sympa-thisianten mit der Nahostpolitik der Sowjetunion. Die meisten der rund neunzig bislang aus der ASU ausgeschlossenen ehemaligen Parteimitglieder würden sich mit gutem Recht den Vorwurf verbitten, Agenten Moskaus am Nil zu sein.
Die wiederaufflammenden Studentenunruhen sind freilich gewiß nur der Vorwand, bestimmt aber nicht der wirkliche Anlaß für die Säuberungswelle. Präsident Sadat und seine Regierung scheinen den Schlag gegen die Intellektuellen schon seit längerer Zeit geplant zu haben.Darauf läßt die Vollständigkeit der Säuberungsliste ebenso schließen wie die Tatsache, daß sich auf ihr die Namen von Persönlichkeiten befinden, die man beim bösesten Willen weder als prokommunistisch noch auch nur als sozialdemokratisch bezeichnen könnte. Den ausgeschlossenen Journalisten von Presse, Rundfunk und Fernsehen wirft man unter anderem vor, sie hätten ausländischen Korrespondenten Informationen über die politische, wirtschaftliche und soziale Lage des Landes gegeben. In Kairo ist man folglich wieder so weit wie zur Zeit des Nildiktators Abdel Nasser. Einheimische Journalisten schreiben nur noch, was die Regierung ihnen vorschreibt. Sie meiden den Kontakt mit ausländischen Kollegen und sehen sogar demonstrativ weg, wenn sie ihnen auf der Straße begegnen.
Präsident Sadats Motive sind durchschaubar. Der Staatschef möchte sich freie Hand verschaffen für die Herbeiführung eines Vernunftfriedens im Palästinakonflikt und die Wiederannäherung seines Landes an den Westen. So begrüßenswert diese Ziele sein mögen, so bedauerlich ist es, daß dabei die zaghaften Versuche zur Einführung einer echten Demokratie am Nil auf der Strecke zu bleiben scheinen.
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