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Unvermeidlich: Neutralitätsdebatte

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Gedanken über den EG-Beitritt und dessen Folgen für die "immerwährende" Neutralität Österreichs.

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Gedanken über den EG-Beitritt und dessen Folgen für die "immerwährende" Neutralität Österreichs.

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Niemand von den Spitzenpolitikern der Bundesregierung hat sie derzeit so richtig gewollt, am allerwenigsten der Bundeskanzler -und dann war sie plötzlich da: die Debatte über Österreichs Neutralität. Es sieht nicht so aus, als würden wir sie so schnell wieder los. Und, ehrlich gesagt: Es ist gut so.

Denn das eine haben inzwischen alle einigermaßen kapiert: Die bisherige Linie der Regierungspolitik läßt sich nicht durchhalten. Sie lautete etwa so: Wir merken im EG-Beitrittsgesuch einen Neutralitätsvorbehalt an, sagen aber nicht, wie wir uns das in der Praxis vorstellen, und mit der Bevölkerung reden wir am besten überhaupt nicht, damit niemand beunruhigt wird.

Von der EG kommen dieser Tage immer häufiger Signale, die im wesentlichen besagen: Die Neutralität stört uns überhaupt nicht -wenn ihr sie sausen laßt! Oder zumindest „neu interpretiert". Schweden hat diese Botschaft schon mitbekommen und in sein EG-Aufnahmeansuchen überhaupt keinen Neutralitätsvorbehalt hineingeschrieben. Gleiches ist von Finnland zu erwarten, das in wenigen Wochen oder Tagen sein Gesuch abgeben wird. Selbst aus der Schweiz klingen Stimmen aus Bundesrats-, also Regierungskreisen erstaunlich flexibel. Und da soll Schweigen für Österreich die beste Politik sein?

In einer Neutralitätsdiskussion wird man einige fundamentale Dinge von Anbeginn klarstellen müssen. Da ist einmal die Frage nach dem Zweck der Neutralität. Sie wird im ersten Satz des österreichischen Neutralitätsgesetzes aus 1955 klar beantwortet: „Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes...", werde das Gesetz beschlossen, heißt es dort in schlechtem, aber doch unmißverständlichem Deutsch.

Logische Schlußfolgerung: Wenn Unabhängigkeit und Unversehrtheit des Staatsgebietes anders besser gesichert werden können, etwa durch ein gesamteuropäisches kooperatives Sicherheitssystem, dann wäre ein Mitmachen dabei sinnvoller als ein Festhalten an der Neutralität.

Aber verlöre Österreich nicht seine Glaubwürdigkeit, wenn es die „immerwährend" gelobte Neutralität schon nach 40 Jahren wieder aufgibt? Hier muß klargestellt werden: „Immerwährend" heißt in der Sprache des Völkerrechts in diesem Zusammenhang nicht „ewig", sondern einfach: „nicht nur in einem, sondern bis auf Widerruf in jedem Konflikt". Nichts sonst. Ein Widerruf wäre jederzeit möglich.

Sinnvoll freilich ist er nicht schon heute, sondern sobald ein europäisches Sicherheitssystem Gestalt annimmt. Darüber muß die Regierung aber mit dem Volk reden - nicht gerade in einem Präsidentenwahlkampf, aber gleich danach. Sonst fällt ihr bei der EG-Volksabstimmung auch noch die Neutralität auf den Kopf.

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