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Teppichfleck

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Leichtes Unbehagen beschleicht einen manchmal, wenn man die EG-Debatte hierzulande verfolgt. Da heißt es zum Beispiel mit scheinbarem Selbstbewußtsein, daß unsere Neutralität von uns selbst definiert werde. ,JDenkste“, möchte Hman da mit den Berlinern sagen.

Ende 1959 heizte der steirische Landeshauptmann Josef Krainer sen. die EWG- Diskussion mit der Bemerkung an, Österreich dürfe nicht in der Neutralität verhungern. Und der damalige Leiter des Wirtschaftsfor- schungsinstitutes, Franz Nemschak, forderte eine Mitgliedschaft bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft „mit Neutralitätsvorbehalt“. Das kam in der Zeit des Kalten Krieges einem neutralitätspolitischen Sakrileg gleich. Kanzler Alfons Gorbach galt als EWG-Kanzler. Auf die Frage nach den Inhalten eines Arrangements mit der Wirtschaftsgemeinschaft pflegte er zu sagen: „Der Inhalt ist das, was herauskommt.“

Und so war’s dann auch.

Es wird diesmal ähnlich werden. Auch diesmal ist die Hauptmotivation für einen Beitritt zur EG die Angst vor wirtschaftlicher Isolation. Auch diesmal hofft man auf eine Initialzündung, damit Österreich nicht die wirtschaftliche Modernisierung versäume. Mit der Neutralität, so glaubt man, werde man sich’s schon richten.

Unsere Neutralität aber wird nicht nur von uns definiert. Dieser Tage schrieb der einstige Bundeskanzler Helmut Schmidt in der ,£eit“ Bedenkenswertes zu diesem Thema. Schmidt ist zwar nicht zuständig, aber kompetent. Er meint: „Der Teppich braucht keine neuen Flecken.“ Es gelte jetzt, den Integrationsprozeß im Bereich der Sicherheitspolitik und der Währungspolitik voranzutreiben. In dieser Phase wäre eine Aufnahme neuer Mitglieder „unverantwortlich“. Noch dazu eines Mitglieds, bei dem Gefahr bestehe, daß die Sowjetunion auf den Plan gerufen wird, wenn die Neutralität Österreichs ins Spiel kommt. Schmidt sieht in der EG auch ein politisches Instrument: Europa dürfe nicht zum strategischen Klienten“ der USA herabsinken, es müsste neben den USA, der UdSSR und China das 21. Jahrhundert als vierte Weltmacht betreten. Dazu sei auch die Wiederbelebung der Westeuropäischen Union eine Voraussetzung. Und alle Mitglieder der WEU sind auch Mitglieder der NATO…

Helmut Schmidt kann offener sprechen als offizielle EG-Vertreter. Und er sagt auch eines ganz offen: „Es wäre an der Zeit, daß unsere österreichischen Freunde und Nachbarn sich eine Tatsache deutlich zum Bewußtsein führen: Bisher liegt ihnen keine Einladung vor.“

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