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Wer weiß, wie es weitergeht?

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Die Beibehaltung des Neutralitätsstatus ohne wenn und aber, die Neudefinition oder Anpassung der Neutralität an die sicherheits-und integrationspolitischen Anforderungen der heutigen Zeit oder die Aufgabe der Neutralität: das sind die drei Optionen, vor denen Österreich heute steht.

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Die Beibehaltung des Neutralitätsstatus ohne wenn und aber, die Neudefinition oder Anpassung der Neutralität an die sicherheits-und integrationspolitischen Anforderungen der heutigen Zeit oder die Aufgabe der Neutralität: das sind die drei Optionen, vor denen Österreich heute steht.

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Die Kritik, daß sich Politik und Öffentlichkeit vor dem Hintergrund der geänderten europäischen Rahmenbedingungen wie auch im Zusammenhang mit dem angestrebten EG-Beitritt Österreichs zu wenig mit den Fragen der Neutralität beschäftigen, geht ins Leere. Es wird heiß über die drei Optionen und rundherum diskutiert.

Wie, das zeichnet in einem Beitrag zum schon traditionsreichen „Österreichischen Jahrbuch für Politik 1992-, das am 1. Juni präsentiert wurde, jetzt Friedrich Hamburger, der Diplomat ist seit 1991 Kabinettschef von Vizekanzler Erhard Busek, in einer kompakten Analsyse nach.

Notwendige Neubeurteilung

Hamburgers Resümee der Debatte der zurückliegenden zwölf Monate in vier Punkten:

□ „Es besteht weitgehende Übereinstimmung darüber, daß die Neutralität, zu recht oder zu unrecht, ein iden-titätsstiftendes Merkmal der Zweiten Republik ist.

□ Einigkeit besteht auch in der Auffassung, daß sowohl die heutige internationale Interdepenz wie auch der Wegfall des Ost-West-Gegensatzes eine Neubeurteilung erforden.

□ Fast ohne Ausnahme wird von den Diskussionteilnehmern auch der EG-Beitritt bejaht, wobei die Möglichkeit der Beibehaltung des Status eines dauernd neutralen Staates überwiegend als gangbare Option angesehen wird.

□ Im Falle der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik, also der österreichischen Teilnahme an einem kooperativen oder kollektiven Sicherheitssystem, besteht sogar einhellig die Meinung, daß dann die Neutralität ihre Bedeutung verloren hätte, oder in das gemeinsame Sicherheitssystem .einmünde", oder eben aufzugeben wäre.

Der entscheidende Unterschied der diesbezüglichen Meinungen besteht darin, daß die einen den Status der Neutralität bereits heute für so irrelevant und funktionslos für Österreichs eigene Sicherheit beziehungsweise für diejenige anderer europäischer Staaten halten, daß sie in ihr eine Belastung für die Entwicklung eines gemeinsamen Sicherheitssystem ansehen und daher für eine Neudefinition oder Aufhebung plädieren.

Die anderen wollen die Neutralität entweder ,als österreichspezifischen Beitrag" zu einer europäischen Sicherheit in dieses System einbringen oder über die Aufgabe der Neutralität erst bei Eintritt in ein vollendetes und funktionierendes Sicherheitssystem nachdenken-

Die Ungewißheit über die künftige Sicherheitsordnung Europas: Das ist für Hamburger genau jener Punkt, an dem sich Besorgnis und Kritik fest-

Zweite Option: Die Neudefinition

„Diese Option könnte man-, führt Hamburger aus, „eine .typisch österreichische" nennen, weil sie ein Zwischending zwischen Beibehaltung und Abschaffung der Neutralität darstellt.-Daher habe die Idee einer („dynamischen-) Neudefinition auch eine große Anhängerschaft im Lande. Ausgehend von der Annahme, „diese Option ließe Österreich den größtmöglichen außen- und sicherheitspolitischen Handlungsspielraum-.

So wie Bruno Kreisky die Neutralitätspolitik aktiv gestaltet habe, wird von den Verfechtern dieser Option argumentiert, könne sie sich, angepaßt an die geänderte Weltlage und den eingetretenen Bedeutungswandel, dynamisch weiterentwicklen, „womit die allenfalls notwendige rechtliche Anpassung einem späteren Zeitpunkt überlassen wäre-.

Mit EG-Beitritt vereinbar

Der besondere Vorteil, den die Verfechter einer Neudefinition sehen: Neutralität und EG-Mitgliedschaft werden als vereinbar betrachtet. „Außer bei den Grünen, die die Neutralität bisher als den besten Schutz gegen die EG ansahen-, faßt Hamburger zusammen, „bestand trotz aller akzentuierten Unterschiede ein breiter Konsens, die Option der Neudefinition der Neutralität mit der Hoffnung ihrer Beibehaltung auch für den Fall des unerwünschten, aber möglicherweise unvermeidbaren Eintritts in ein europäisches Sicherheitssystem zu verbinden-

machen lassen.

Denn die Kritik richtet sich seiner Meinung nach „weniger gegen den Mangel einer umfassenden Diskussion als vielmehr, daß sie bisher höchstens ansatzweise zu konkreten Ergebnissen geführt hat. Sie ist Ausdruck der berechtigten Sorge um die eigene Sicherheit, die Zukunft, oder: Irgendwer sollte doch wissen, wie es weitergeht !-

Entscheidung auch ohne EG

Unabhängig von der Entscheidung für und gegen einen EG-Beitritt gelte es, die Neutralität zu überdenken: Denn „angesichts der sicherheitspolitischen Veränderungen in Europa, aber auch in der Welt (siehe die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Aktionen gegenüber dem Irak oder die Einsätze von UN-Truppen in Bosnien-Herzegowina beziehungsweise in Somalia)- müßte nämlich,

folgt Hamburger hier dem Völkerrechtler Manfred Rotter, die Neutralität „auch dann neu überdacht werden, wenn es nicht um den Beitritt zur EG ginge-

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