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Dynamik im Haus Europa

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„Net amol ignorier'n“, ist der dümmste Standpunkt den Österreichs Polit-Granden in der durch das Moskauer Grundsatzpapier (Aide-Memoire) wieder aufgeflak-kerten Neutralitätsdiskussion einnehmen könnten.

Österreich hat den Staatsvertrag aufgrund der freiwillig übernommenen, aber vorher ausgehandelten Neutralitätsverpflichtuhg bekommen. Und diese Verpflichtung gilt nach wie vor, auch wenn immer wieder die Rede davon ist, daß wir den Rahmen unserer Neutralität selbst abstecken.

Österreich übte nie einen politischen Neutralismus im Sinne eines Indifferentismus gegenüber den Grundausrichtungen der beiden Machtblöcke. Nur politische Ignoranten sahen daran vorbei, daß sich Österreich ideologisch der* sogenannten westlichen demokratischen Wertegemeinschaft nicht nur verpflichtet wußte und weiß, sondern in diesem Sinne sowohl seine Innen- , Außen-, als auch seine Wirtschaftspolitik gestaltete).

Das hat Moskau immer gewußt, desgleichen Wien, daß Österreichs Neutralität ein Sicherheitsfaktor nicht nur für unser Land, sondern für ganz Europa ist. Niemand braucht uns dies heute in Erinnerung zu rufen auch Moskau nicht.

Aber die Kremlherren sind noch nicht soweit, Vertrauen einem sich rapid ändernden Westeuropa entgegenzubringen, obwohl sie dieses Europa wohl mehr brauchten als jeder andere. Aber momentan setzt man doch eher auf stabile Verhältnisse. Und die sieht der Kreml mit dem EG-Beitrittsgesuch Österreichs gefährdet; unbeschadet des Wunsches zur Annäherung des eigenen Machtbereichs an den kommenden Binnenmarkt.

Wo Souveränitätsrechte abgegeben werden, wie im geplanten Binnenmarkt, geht es an die Substanz jedes Staates. Daran darf sich Österreich nicht vorbeischwindeln: alles, was mit Österreichs Selbstverständnis zu tun hat - dazu gehört nun einmal die Neutralitat -, wird von einem möglichen EG-Beitritt betroffen und verändert.

Darauf wollte uns wohl das Moskauer Aide Memoire aufmerksam machen, so sind diese Sätze über die Unvereinbarkeit von Neutralität und EG-Beitritt mehr als eine Pflichtübung. Die Sorge Moskaus um seinen Einfluß auf Mitteleuropa - dafür steht auch Österreich - wird ernst zu nehmen sein. Parteipolitische Hysterie - hierzulande oft an der Stelle sachlicher Diskussion -wird Staub aufwirbeln, aber nichts bringen.

Österreich ist nun einmal zum E G-Beitritt entschlossen und wird diesen Weg behutsam und nüchtern gehen müssen. Dabei ist durchaus auch denkbar, daß über ein Stufen-Europa Neutrale wie Österreich aufsteigen könnten, wenn Blockgebundene wie Ungarn etwa eine Art Neutralitätsstatus erreichen sollten. Jedenfalls kann die Dynamik im Haus Europa kaum mehr gebremst werden.

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