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Zickzack ist keine EG-Linie
Noch im Herbst 1987 drängte er auf einen Vollbeitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft (EG) ohne Wenn und Aber. Heute münzt Jörg Haider — wenn man Wahlanalysen trauen kann — EG- Ängste in freiheitliche Wahlerfolge um. „Großes politisches Talent“ (Helmut Zilk) hat er, keine Frage. Sonst müßte er ja seinen Wählern ehrlich sagen, daß sie bei ihm da an der falschen Adresse sind.
Großes politisches Talent ist ja auch Helmut Zilk nicht abzusprechen. Seine „ernsten Vorbehalte gegen die EG“ und seine Sorge um unsere Neutralität wird er am 3. April, an dem die SPÖ in Präsidium und Vorstand ihre EG-Linie fixieren will, nicht verschweigen.
Aber was heißt schon Linie? Und was ist in dieser Republik denn überhaupt fix?
Zilk hat mit den acht anderen Landeshauptmännern — freilich ohne Notariatsakt „unwiderruflich“ abgesichert - im November 1987 einstimmig das Ersuchen an die Bundesregierung beschlossen, einen EG-Beitritt „so rasch wie möglich anzustreben“.
Die Konferenz der Landeshauptmänner ist immerhin etwas. Wenn schon die Repräsentanten der neun Bundesländer einen gemeinsamen Beschluß fassen, sollte man annehmen dürfen, daß sie sich mit der Materie, um die es geht, eingehend auseinandergesetzt haben, daß die einstimmige Entscheidung reiflich überlegt wurde.
Zugegeben: Jeder soll das Recht haben, gescheiter zu werden. Neue Situationen können neue Antworten erfordern.
Im konkreten Fall kann sich weder Wendigkeit noch Windigkeit darauf berufen. Staatsvertrag und Neutralität sind ja nicht von heute auf morgen „dazwischengekommen“. Nur ein Ignorant könnte überhört und überlesen haben, was die Diskussion ernstzunehmend von Anfang an bestimmt hat. Dazwischengekommen sind allerdings Wahlergebnisse, die die Euphorie gedämpft haben: Existenzängste bei den einen, Ungewißheit bei anderen.
Daraus wird heute tagespolitisches Kleingeld geprägt. Zickzack als Linie.
Offensichtlich gibt es Interessen, und zwar bei allen im Parlament vertretenen Parteien, aus der EG-Thematik Wahlkampfkapital zu schlagen. Das Geplänkel um den Brief nach Brüssel und sein Aufgabedatum ist nur die Ouvertüre.
Umstritten scheint plötzlich, was zwischen Koalitions- und Sozialpartnern außer Streit gestellt worden ist: daß sich Österreich — ohne Preisgabe seiner Neutralität — um eine Teilnahme am europäischen Binnenmarkt bemühen soll. Wollte man das, muß man verhandeln - ohne daß damit schon über einen Beitritt entschieden wäre.
Wollen wir? Oder führt ein Weg an Europa vorbei? Schluß mit dem Herumdrücken!
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