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Eine Wahl, der EG-Beitritt und das allerletzte Wort

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Obwohl noch da und dort Verfassungsexperten herumtüfteln, ob mit einem österreichischen EG-Beitritt jene gravierende Änderung der Bundesverfassung verbunden ist, die zwingend einer Abstimmung durch das gesamte Bundesvolk unterworfen werden muß, gibt es eine grundsätzliche politische Übereinstimmung: Über die österreichische Mitgliedschaft bei der Europäischen Gemeinschaft wird vom Souverän direkt in einer Volksabstimmung entschieden. Nach der parlamentarischen Entscheidung und vor einer Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten. Das entscheidende letzte Wort hat die Bevölkerung selbst.

Entscheidet sich eine Mehrheit für den Beitritt, ist es schwer vorstellbar, daß dann noch irgendein Bundespräsident seine Unterschrift unter den EG-Vertrag verweigert. Er hat das Plebiszit in jedem Fall - auch im Fall einer Ablehnung - schlicht zur Kenntnis zu nehmen.

Kurzum: Ohne ausgehandelten Vertrag und eine vorangegangene zustimmende Beschlußfassung über einen EG-Beitritt durch das Parlament gibt es auch keine Volksabstimmung. Und überhaupt dürfen politische und gesetzesändemde Staatsverträge - auch vom Bundespräsidenten mit seinen grundsätzlichen Befugnissen - ja nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Nationalrates abgeschlossen werden.

Diese demokratische Rollenverteilung soll man sehen und kennen, um danach auch Aussagen zur EG-Beitrittsfrage im laufenden Bundespräsidentschafts-wahlkampf einordnen zu können. Etwa auch die von Rudolf Streicher, daß er als Bundespräsident die Möglichkeit nützen würde, die Unterschriftermächtigung zu verweigern, sollte er mit dem Inhalt des Vertrages nicht zufrieden sein.

Genaugenommen geht es hier um das vorvorletzte Wort beim EG-Beitritt nach der Vollmacht zur Verhandlungsführung, darum, ob die „Unterhändler" unterschreiben dürfen, damit der Vertrag eben dem Parlament vorgelegt und einer Volksabstimmung unterworfen werden kann. Um nicht weniger, aber auch um nicht mehr geht es, selbst wenn die Erklärung in manchen Ohren nach bedeutend mehr klingt - wohl auch wahlmaßgeschneidert so klingen soll.

Vom Bundespräsidenten darf vielmehr erwartet werden, daß er durch laufende Konsultationen mit der Bundesregierung über Gang und Stand der Verhandlungen genau das verhindert, was Streicher in den Bereich seiner theoretischen Möglichkeiten gerückt hat.

Bevor aber das Staatsoberhaupt seine Unterschrift unter den EG-Vertrag setzen kann, und das relativiert heute abgegebene „Garantien", hat das Volk selbst zu entscheiden. Bei der Volksabstimmung ist dann der erste Mann der Republik dem Mann von der Straße absolut gleichgestellt: Jeder hat eine, seine Stimme.

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