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Wahlen - wozu?

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Bei seiner Pressekonferenz am 1. September, mit der er den Wahlkampf eröffnete, sagte Bundeskanzler Dr. Kreisky endlich klipp und klar, zu welcher Politik er nach dem 10. Oktober bereit ist.

Zu einer Politik der Zusammenarbeit.

Das gilt freilich für den Fall, daß die SPÖ die absolute Mehrheit gewinnt, nicht ganz. Vergessen sind die Zeiten, als dieselbe SPÖ von der ÖVP, die gerade die absolute Mehrheit erhalten hatte, trotzdem vehement die Fortsetzung der Koalition verlangte. Heute gilt Kreiskys gleichsam beiläufig hingesprochenes Wort: Im Falle der absoluten Mehrheit sei die Bildung einer AMein- regierung „selbstverständlich“.

„Wie sollte es anders sein?“ Der Kanzler war ehrlich erstaunt.

Sollte die absolute Mehrheit nicht gelingen, dann kommt die „Zusammenarbeit". Hiefür zählte der Bundeskanzler drei Varianten auf:

Zusammenarbeit in Form einer Koalition, „Zusammenarbeit im Parlament“ (also Minderheitsregierung) und Zusammenarbeit mit „gewissen sozialen Gruppen anderer Parteien“ (also ebenfalls Minderheitsregierung). Gemeint waren im letzteren Fall vor allem die ÖVP-Bauem, die „deswegen noch ihrer Partei loyal verbunden bleiben könnten“. Wie sich das der Bundeskanzler unter

Beibehaltung der parlamentarischen Demokratie und ohne Einführung des Ständestaates vorstellt, war nicht zu erfahren, denn er verglich den Bauernbund der ÖVP mit dem überparteilichen Gewerkschaftsbund, und das konnte er doch unmöglich ernst meinen.

Und diesmal sah es sogar so aus, als hielte der Bundeskanzler auch die österreichischen Wähler für vollkommene Ignoranten.

Denn von seinen drei Varianten basieren zwei auf der Bildung einer Minderheitsregierung. Und er sprach von diesen „interessanten“ Möglichkeiten der Zusammenarbeit so enthusiasmiert, selber so interessiert, daß man seine nicht einmal so .geheime Neigung erraten konnte.

Es bleibt dann nur noch die bescheidene Frage, die der Wähler, fafMs et nicht wirklich ein völlig ahnungsloser und vergeßlicher „Idiot“ im griechischen Wortsinn ist, jetzt stellen müßte:

Minderheitsregierung haben wir jetzt schon. Wozu dann noch Wahlen?

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