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Zeit für ein neues Wahlrecht

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War es nur ein hochsommerlicher Gag, um noch vor dem Ausbruch der innenpolitischen August-Flaute Schlagzeilen zu machen, oder ist mehr dahinter, wenn Heinz Fischer plötzlich eine Wahlrechtsreform, einen begrenzten Ausbau der plebiszitä-ren Demokratie anregt?

Das Thema ist zu wichtig, um vom Tisch gewischt zu werden. Umso mehr, als der heute stellvertretende Parteivorsitzende vor vielen Jahren bereits zu jenen Vordenkern seiner Partei gehörte, die solche Ideen präsentierten. Wenn auch ohne Dank und Erfolg, denn der Große Vorsitzende wollte anderes...

Seither blieb es der ÖVP überlassen, für eine Personalisierung des Wahlrechtes einzutreten, für Einmann-Wahlkreise, für eine engere Verbindung zwischen Abgeordnetem und Wähler, auch für die Einführung der Brief wähl und schließlich für eine Weiterentwicklung der Bestimmungen über Volksabstimmung und Volksbegehren. Immer aber stieß sie auf das Njet der Regierungspar-tei(en).

Ein ideales Wahlrecht gibt es nicht. Geltende Bestimmungen pflegen gerne geändert zu werden, wenn es der jeweils herrschenden Partei günstig erscheint, die eigene Position zu verstärken.

So ließ Bruno Kreisky 1971 das Wahlrecht ändern, um die kleine Freiheitliche Partei aufzuwerten und sie damit — später einmal — koalitionsfähig zu machen. Daß damit die Wahrscheinlichkeit einer absoluten Mehrheit einer Partei wesentlich geringer wurde, nahm er in Kauf. (Ob er es nicht 1983 bitter bereut hat?)

Wohl jede Änderung des Wahlrechtes hat aber auch die Zielsetzung, verkrustete Strukturen zu lockern.

Ein verbesserter Kontakt zwischen Bürgern und Politikern könnte deren Image als Parteiap-paratschiki mildern. Wenn über Jahrzehnte hinweg zwei Großparteien Kopf an Kopf um die Mehrheit ringen, würde ein mehrheits-förderndes Wahlrecht die Entscheidung erleichtern.

Die Kehrseite der Medaille ist, daß jemand nicht bekommt, was anderen gegeben wird. 1971 wurde den Freiheitlichen gegeben, was den Großen dann fehlte. Beim nächsten Mal stehen die Grünen mit im Ring. Zielt Fischers Vorstoß - auch - in ihre Richtung?

Und was ist mit der FPO? Sie muß einer Änderung skeptisch gegenüberstehen, die das Schrumpfen ihrer Gesamtsubstanz noch verstärkt.

Geht man zu weit, in Fischers Vorstoß bereits einen Wink an die ÖVP zu sehen? Eine Absage an den kleinen Koalitionspartner, mit dem solche Änderungen wohl kaum durchzuziehen sind?

Auf jeden Fall ist das Thema zu wichtig, um es nach den Wahlen wieder versanden zu lassen. Eine Wahlrechtsreform könnte auch auf diesem Gebiet den Schlußstrich unter die Ära Kreisky set-zen-

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