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Die Wirklichkeit ist nicht manipulierbar

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DIALEKTIK UND POLITIK, Vorträge und Aufsätze zur Philosophie in Geschichte und Gegenwart. Von Jakob Hommes. Mit Einführung und Bibliographie, hg. v. Ulrich Hommes, Verlag J. P. Bachem in Köln, 1968, 376 Seiten, DM 28.

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DIALEKTIK UND POLITIK, Vorträge und Aufsätze zur Philosophie in Geschichte und Gegenwart. Von Jakob Hommes. Mit Einführung und Bibliographie, hg. v. Ulrich Hommes, Verlag J. P. Bachem in Köln, 1968, 376 Seiten, DM 28.

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Nach dem Tod seines Vaters (1966) hat Ulrich Hommes Vorträge und Aufsätze aus den letzten zwanzig Jahren des Wirkens des Verstorbenen in dem vorliegenden Band herausgegeben. Es handelt sich dabei und"'äirfg taeine; jedoch für 'dä§ Gesamtwerte. repräsentative und auf- schlußreiche Auswahl. Den Aufsätzen geht eine Einführung des Herausgebers voran; am Schluß des Bandes findet sich neben einem Personenverzeichnis eine Bibliographie von Jakob Hommes.

Der Herausgeber betont mit Recht, daß sich sein Vater in seinem ganzen Werk „rückhaltlos der Not unserer Zeit“ gestellt hat. Das Maß seiner Zeitkritik ist der große Ordnungsgedanke der thomistischen Philosophie. Von ihm aus wird alles Denken distanziert, das die vorgegebene Naturwirklichkeit lediglich als Entfremdung bzw. als das Feld menschlicher Manipulation versteht. Diese Kritik richtet sich ebenso gegen die Hegelsche Dialektik und die Romantik wie gegen den Marxismus und die Existenzphilosophie. Haben doch nach Hommes alle diese Denkpositionen im Rückbezug auf den Menschen selbst verderbliche. Folgen, da sich der Mensch mit der Erhebung „gegen das vorgegebene Wesen der Dinge“ auch gegen das eigene Wesen und die auch ihn bestimmende naturrechtliche Ordnung erhebt. „Weit entfernt davon, in absoluter Freiheit sich selbst zu entwerfen, ist ja auch der Geist an ein inneres Wesensgesetz, eben an seine Natur, gebunden. Den Satz 2X2=5 zum Beispiel kann er nicht für wahr halten. Wie man hier von einer notwendigen Wahrheit des Denkens sprechen muß, so zeigt sich in der menschlichen Existenz als solcher auch eine notwendige Wahrheit des Seins oder Gutheit, insofern der handelnde Geist die Grundlagen seiner Handlungen und Werke gar nicht frei setzen kann, sondern in notwendiger Entfaltung seiner Natur ausüben muß.“ Zuletzt geht es bei alledem um die „Erstursächlichkeit“ Gottes im Zusammenhang mit der Schöpfung.

Machen wir uns an einem Beispiel mit dem Vorgehen unseres Philosophen noch etwas vertrauter, und zwar an demjenigen seiner Stellungnahme zum Marxismus. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung steht der Begriff der Natur. Ihre Auffassung bei Marx gibt Hommes den Schlüssel für eine Gesamtinterpretation der marxistischen „Fundamentalontologie“ in die Hand: „Für Marx ist die Natur in sich selbst bereits etwas Menschliches, die .Menschlichkeit der Natur und die Natuťhaftigkeit des Menschen bilden eine Grundvoraussetzung seines Denkens: ,Die Natur, abstrakt genommen, für sich, in der Trennung vom Menschen fixiert, ist für den Menschen nichts (MEGA I, 3, 170). Dieser Satz ist wahrlich nicht harmlos, man muß ihn, um seine Tragweite deutlich zu machen, etwa übersetzen: die Natur als solche, außerhalb ihrer Bedeutung für die menschliche Selbstgehörigkeit und Selbstzeugung, hat nichts zu sein... Der Mensch darf im Gebrauch der Dinge nicht die eigenständige Be- ; deutung- der. Naturwirklichkejt. dfe- ses bloßen Stoffes seiner selbst aufkommen lassen, denn damit gäbe er in seinem Dasein der ihm fremden und feindlichen Macht Raum — jener .fremden Macht über dem Menschen und jenem .fremden Wesen, dem (bei der entfremdeten Gestalt der Arbeit) die Arbeit und das Produkt der Arbeit gehört .“ (206 und 209)

J. Hommes weist mit Recht darauf hin, daß diese Auffassung Marxens auf der Lehre von der „Gegenständlichkeit des Menschen“ beruhe: „Die Gegenständlichkeit des Menschen besagt, daß der Mensch von der Natur zu leben, die Natur in sich zu verwandeln hat. Das Mittel aber, die gegebene Naturwirklichkeit in den Menschen zu überführen, ist die Arbeit, die sinnliche Tätigkeit, mit der sich der Mensch in der Wirklichkeit der bearbeiteten Naturdinge wiederfindet. So zwar, daß er durch seine Tätigkeit die Naturdinge zu sich selbst macht und umgekehrt die Natur dinge ihm als er selbst geschehen. Unterläßt aber der Mensch beim Gebrauch der Naturdinge jenen Blick auf sich selbst, mit dem er in der Bearbeitung der Naturdinge sich selbst zum Sinn und zur Seele der gegenständlichen Welt macht, dann gehen die Naturdinge, die Gegenstände, nicht in ihn ein, er selbst bleibt gegenstandslos, die Naturdinge ihrerseits bleiben in sich selbst und damit dem Menschen fremd gegenüberstehen, sie werden nicht .angeeignet — die Naturdinge, die doch ihrem ganzen Wesen nach nur Verkörperungen der menschlichen Tatkraft sind.“ (216)

J. Hommes sieht das Grundübel der maricistischeir řFhtkWBte- iff ihrem Anschluß dn ’ ’die Dialektik-' Hegels. Durch sie geschehe „nichts Geringeres als eine revolutionäre Erhebung des menschlichen Innern über die gegenständliche Welt und die sie tragende Macht: der Mensch macht sich selber zur Seele und zum Kern des Gegenstandes.“ (Ebenda 223.) Damit wird nun freilich Hegel und mit ihm die Dialektik von Marx und seiner Geschichtlichkeitsthese her interpretiert; das aristotelische Erbe Hegels und seine Beziehung zum klassischen Ordnungsgedanken bleiben außer Ansatz. Erst wenn man auch diese Einflüsse auf das, was bei Hegel „Begriff“ heißt, genau und im vollen Umfang der Bezüge überprüft hat, wird sich entscheiden lassen, ob „zwischen Dialektik und objektiv-naturrechtlich-theistischer Metaphysik ein unüberbrückbarer Urgegensatz waltet“ oder nicht. (253)

Was uns an allen Schriften von Jakob Hommes ergreift, ist die Vereinigung des Glaubens an das Übergeschichtliche mit der Verantwor- wortlichkeit für das zeitliche Dasein. Der Grundzug seines Denkens ist in jener „Freiheit des Christenmenschen“ verankert, in der sich dieser ebenso als Herr wie als Knecht aller Dinge weiß.

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