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Moskau will nicht antijüdisch sein

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Moskau gewährt zwar den arabischen Staaten bedeutende Wirtschaftshilfe, unterstützt auch den größten Teil ihrer politischen Forderungen, ist aber nicht bereit, exklusiv in jeder Angelegenheit gegen Israel Stellung zu nehmen. Moskau ist an den Sympathien der großen kommunistischen Parteien Europas interessiert, in denen bekanntlich viele Juden an führender Stelle stehen, und will nicht als „antijüdisch“ hingestellt werden. Die inoffiziellen Beziehungen zu Israel werden immer mehr durch den Austausch von Künstlern und Delegationen verbessert. Im allgemeinen fürchtet Moskau den chinesischen Einfluß im Mittleren Osten, aber fürchtet ebenso, im Westen als „antijüdisch“ angeprangert zu werden.

Die Führer der arabischen Kommunisten in Israel, mit Emil Habibt und Toufik Tubi an der Spitze, forderten die Beibehaltung der antiisraelischen Mosikau-Linie. Die jüdischen Kommunisten dagegen forderten eine Revision des Programms der israelischen KP. Sie betonten, daß die revolutionäre Lage sich zugunsten der KP in Israel geändert habe. Die wirtschaftliche Lage der meisten Industriearbeiter und der Arbeiter in den israelischen Entwicklungsgebieten hat sich in den letzten Monaten sehr verschlechtert. Die Lohneinfrierungspolitik der Regierung, die auch von der Gewerkschaft gutgeheißen wurde, gab den Kommunisten die Möglichkeit, wilde Streiks zu organisieren. In dem vergangenen Jahr waren 80 Prozent aller Streiks wild. Obwohl die kommunistische Partei nur wenige Anhänger unter den streikenden Arbeitern hatte, gelang es den kommunistischen Rädelsführern, die allgemeine Verbitterung auszunützen, Aktionskomitees zu gründen, die trotz Gewerkschaftsverbot im allgemeinen mit Erfolg diese Streiks organisierten. Die linkssozialistische MAPAM sah sich durch die revolutionäre Tätigkeit der Kommunisten gezwungen, auch an diesen Streiks teilzunehmen, und sogar die Achduth Avodah, eine kleine sozialistische Partei, die der Regierungskoalition angehört, liebäugelte mit den Streikenden, um sich bei ihnen nicht alle Sympathien zu verderben.

Im Machtkampf zwischen dem ehemaligen Ministerpräsidenten David Ben Gurion und dem jetzigen Levi Eshkol unterstützte die kommunistische Fraktion in der Knesseth und auch bei Arbeiterversammlungen den letzteren. Die arabischen Kommunisten hingegen versteiften sich darauf, daß auch Eshkol ein Erzreaktionär sei und man ihn genauso bekämpfen müßte wie Ben Gurion.

Dieser Tage wird der Disput zwischen den arabischen und jüdischen Kommunisten innerhalb der israelischen KP offen ausgetragen werden. Die kommunistische Landeskonferenz beschäftigt sich fast ausschließlich bei ihrer Tagung in Tel Aviv mit diesem Problem. Ein Vorschlag zur Gründung eine Konföderation, bestehend aus einer jüdischen und einer arabischen kommunistischen Partei, wurde durch die kommunistischen Führer abgelehnt; die jüdischen und die arabischen Führer der israelisohen KP hoffen immer noch, eine Spaltung vermeiden zu können; doch beiden Seiten ist es klar, daß ein projüdisch-nationalistischer Kurs der KP die einzige Möglichkeit darstellt, die jüdische Wählerschaft Israels bei den kommenden Wahlen zum Parlament, Ende 1965, um vieles zu vergrößern. Die arabische Wählerschaft hingegen wird sich zum größten Teil von Israels KP abwenden, wenn diese keine arabisch-nationalistische Tendenz mehr vorzeigt, denn die meisten arabischen Wähler der israelischen KP haben noch nie in ihrem Leben von Karl Marx gehört und wissen bis heute nicht den Unterschied zwischen Moskau und Peking. Für sie war die Wahl der KP mit Nationalismus identisch.

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