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Die Partei der „Heimatlosen”

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„Die Kommunisten sind verpflichtet, überall einen parallelen illegalen Apparat zu schaffen, der im entscheidenden Augenblick der Partei helfen soll, ihre Pflicht gegenüber der Revolution zu erfüllen.” (Lenin.)

Der neue Apparat, den die deutsche KP nach ihrem Verbot aufgebaut hat, bedient sich einer Reihe von Mitteln, die angesichts der bisherigen geschichtlichen Erfahrungen mit den kommunistischen Institutionen geradezu als „klassisch” bezeichnet werden können.

Der offen deklarierte KP-Mann ist jetzt diskret im Hintergrund, während auf der poli- schen Bühne eine Reihe von Personen und Institutionen operieren, die zwar uniform gelenkt sind und geradlinig wie überdies unverkennbar die Interessen der KP vertreten, es aber verstehen, sich eine über- und unparteiische Tarnung zu geben.

Erstens sind es die Heimatlosen unter den „gutmütigen Idiote n”, die da und dort, im rechten und im demokratischen linken Lager stehend, die Befehle aus Pankow mit einer Naivität ausführen, daß man geneigt ist, an Bewußtseinsspaltung zu denken. Daß einzelne deutsche Presseorgane sich bisweilen eines Tones befleißigen, der, gelinde gesagt, unverständlich ist, kann Anlaß zu Vermutungen sein, mehr nicht, da die Fixierung der deutschen nationalliberalen Massenpresse gegen Adenauer eine Vielfalt von Mitteln anwendet, um den „großen Alten” zu bekämpfen.

Zweitens bedient sich die KP der „heimatlosen Rechten”. Der Anruf der nationalen Ressentiments, virtuos von der NSDAP praktiziert, findet heute in der Bundesrepublik nicht jene Resonanz wie ehedem. Aber immer noch sind die geradezu der Natur der deutschen Rechten gemäßen primitiven chauvinistischen Kreise da, meist Veteranen der Freikorps, ewige Haudegen, und Soldaten des zweiten Weltkrieges, die für ihre politischen Aktionen keinen Standort fanden. Dazu kommt, daß in der deutschen Rechten (wie in Oesterreich) die „Heimatlosigkeit”, das Unvermögen, sich auf Dauer in Institutionen zu vereinigen, zum Wesen gehört.

Daher war es keine große Schwierigkeit für Oskar Neumann, dem Abschnittsleiter für „Massenorganisation” im Düsseldorfer Kadersekretariat der KP, eine Reihe von nationalen Tarnorganisationen, die den Zielen der KP dienstbar waren, zu gründen. Ein Feldwebel, Rudolf Steidl, gründete eine „Internationale Militärkorrespondenz”, das „Militärpolitische Forum”, die „Deutsche Nationalzeitung” und die „Nation”. Gleichzeitig organisierte man gutbesuchte Offizierstreffen, die vom „Führungsring ehemaliger Soldaten und Offiziere” gelenkt wurden. Die Kosten der Aktion des Feldwebels Steidl kosteten Pankow nicht weniger als rund 2,363.000 DM. Steidl sprang später ab und gab seine Kenntnisse der deutschen Oeffentlichkeit bekannt.

Drittens. Nicht minder anfällig für die Ostpropaganda wie die „heimatlose Rechte” ist die „heimatlose Linke”. Tatsächlich handelt es sich aber bei der „heimatlosen Linken’ nicht um Menschen, die nach der sozialen Gerechtigkeit „dürsten” und ihr als Wirklichkeit in den bestehenden Institutionen nicht begegnen, sondern ganz einfach um getarnte Kommunisten, die lediglich da und dort, wenn sie gestellt werden, vorgeben, wohl einzelne Programmpunkte der KP zu akzeptieren, sich aber sonst zu distanzieren. Nur weiß man leider nie anzugeben, worin sich die links von der SPD Stehenden gegenüber der KP distanzieren. Was man feststellen kann ist, daß sie das, was Pankow vorschreibt, vollinhaltlich erfüllen, wenn sie auch über das KP-Programm hinaus noch einige Privatthesen, die etwas mit „Demokratie” und „Freiheit” zu tun haben, vertreten, um sich salonfähig zu machen und den KP-Stallgeruch in den feudalen Salons durch das Aufträgen westlichen Parfüms zu überdecken. Die Affäre A g a r t z hat neuerlich gezeigt, daß, wer sich in der Bundesrepublik links von der SPD einen Platz sucht, notwendig in Dienste des Ostens tritt, dessen Sog man sich als „Linkssozialist” einfach nicht entziehen kann, weil eben Sozialismus minus Demokratie fast immer eine Spielart des heute vielgefächerten Kommunismus ergibt.

Was ist nicht alles da an Institutionen der „heimatlosen Linken”? In Düsseldorf erschien schon vor Jahren die „Deutsche Volkszeitung” (Organ des „Bundes der Deutschen”), während in München bereits seit sechs Jahren die „Deutsche Woche” (die auch in Oesterreich Abnehmer hat) herausgebracht wird und sich für die Abhaltung „Gesamtdeutscher Kongresse” einsetzt. Wir kommen, wenn wir in der Bundesrepublik die Worte „Gesamtdeutsch” oder „Wiedervereinigung” hören, zu Orwellschen Begriffsumdeutungen, ähnlich wie etwa beim Wort „Europa”; hören wir doch, daß der deutsche Neonazismus sich stärkstens als „europäisch” gebärdet, wenn er auch Europa mit dem „Reich aller Deutschen” gleichsetzen will.

Die bedeutendste linkssozialistische Zeitung ist in den letzten Jahren „Die Andere Zeitung” geworden (auch sie hat in Oesterreich einen beachtlichen intellektuellen Leserkreis). Chefredakteur ist der aus der SPD ausgeschlossene Dr. Gerhard Gleissberg (ehemals Chefredakteur des Hauptorgans der SPD, des „Vorwärts”). Die Herausgeber und sämtliche Mitarbeiter, einst fast durchweg Mitglieder der SPD, wurden von dieser ausgeschlossen.

Viertens bedient sich die „Gesamtdeutsche Abteilung” des SED-Zentralkomitees, als höchste Instanz in illegaler KP-Arbeit im deutschen Westen, auch der N e o n a z i s Die Denkansätze des Neonazismus und der KP sind — wie wir nach dem Krieg gesehen haben — keineswegs so entgegengesetzt, als man dies früher vermuten mußte. Aus diesem Grund ist die Zahl der politischen Pendler zwischen ganz rechts und ganz links relativ groß. Jedenfalls ist die in Karlsruhe herausgebrachte „Nationale Rundschau” zwar von einem weithin unbekannten

Dr. Hans Lossnitzer verlegt, die tatsächliche Führung hat aber ein Herr Karl S c h ö p f 1 i n, einst Landesvorsitzender der inzwischen verbotenen neonazistischen Sozialistischen Reichspartei (SRP). Der Chefredakteur ist Paul Schall (unter dem Namen Paul Stadler bereits Chefredakteur des getarnten KP-Blattes „Die Nation”), hinter dem wieder die Herren von Thadden und M e i n b e r g, die Führer der (ebenfalls neonazistischen) „Deutschen Reichspartei”, stehen.

Fünftens. Bisweilen kann sich die KP die Mitarbeit der Bürokraten der deutschen Verwaltung sichern. So arbeitet in Baden-Württemberg ein „Gesamtdeutscher Arbeitskreis für Land- und Forstwirtschaft”, eine KP-Organisation, die von den Behörden in keiner wirksamen Weise behindert wird. Gleiches gilt für einen „Deutschen Jugendring”. Der „Demokratische Frauenbund Deutschlands” konnte in Stuttgart sogar einen öffentlichen Vortrag abhalten, über den von den „Stuttgarter Nachrichten” berichtet wurde. Aber nicht nur das. Auch das „Amtsblatt der Stadt Stuttgart” half durch eine Ankündigung mit, der KP-Ver- anstaltung eine gewisse Publizität zu vermitteln.

Daß das Deutsche Verfassungsschutzamt (die deutsche Staatspolizei) kaum geeignet ist, die Infiltration von KP-Kräften in der Bundesrepublik auch nur einigermaßen abzuwehren, ist weltbekannt und kann nicht nur durch einen Hinweis auf die Person des Herrn Dr. John bewiesen werden, sondern noch mehr durch die merkwürdigen Aussagen von hohen Beamten des Amtes im Rahmen des Prozesses gegen John.

Sechstens. Die „heimatlosen Profit- j ä g e r” in der deutschen Wirtschaft machen ebenfalls gerne in „gesamtdeutschen” Wirtschaftstagungen, die tatsächlich so verlaufen, wie es sich Pankow wünscht. So fand erst am 13. Dezember 1956 ein „Gesamtdeutsches Gespräch”, veranstaltet vom ostdeutschen „Ausschuß zur Förderung des deutschen Handels”, statt und am 31. Jänner 1957 ein „Gesamtdeutsches Wirtschaftsgespräch”, das interessanterweise vom westdeutschen Unternehmerverband, nämlich vom „Deutschen Industrie- und Handelstag”, der Spitzenorganisation der westdeutschen Industrie, einberufen worden war. Die gewinnbeflissenen Ostlandfahrer werden vor allem von der FDP unterstützt, für deren Prominenz das Geld aus dem Osten geruchlos ist, ein Beweis, wie das Bemühen, Profit unter allen Umständen zu erzielen, politisch instinktlos macht.

Siebentens. Die wichtigste Funktion in der Tiefenarbeit der westdeutschen Tarn-KP hat aber nach wie vor der sich auffällig parteilos gebärdende KP-Funk- t i o n ä r. Es ist uns in Oesterreich bekannt, daß jene Personen, die besonderen Wert auf die Feststellung legen, unparteiisch oder antiparteipolitisch zu sein, meist politische Ziele verdecken wollen, da das Betonen der politischen Harmlosigkeit, wenn es zu nachdrücklich ist, den Charakter eines Alibis annimmt. Der Untergrundfunktionär der KP ist in Westdeutschland insbesondere in den Gewerkschaften tätig, die dadurch korrumpiert werden. Manche Entschließungen in örtlichen Gewerkschaftsorganisationen der Bundesrepublik sind nur dann verständlich, wenn man weiß, daß die Kommunisten die eifrigsten Gewerkschafter sind und die Lethargie der SPD- und CDU-Anhänger im Deutschen Gewerkschaftsbund ausnutzen, um ihre Meinungen da und dort durchzusetzen. Worum es den „unparteiischen” Kommunisten in der Bundesrepublik geht, ist die Zersetzung. Aehnliches sehen wir ja auch in Oesterreich, wenn wir an gewisse Exzesse im Organ der Arbeiterkammer denken oder an merkwürdige Gutachten von Institutionen, die sich mit Wirtschaftsprognosen befassen. Jedenfalls bedient sich die westdeutsche KP mit Erfolg der sogenannten „Eisbergmethode”. Die offizielle Spitze, der aus dem Meer herausragende Eisberg, ist abgeschlagen worden. An allen Orten aber ragen dafür kleine Eisberge aus dem Wasser. Wer da glaubt, man könne eine Institution wie die KP mit Verboten erledigen, ohne die Voraussetzungen ihres Bestehens zu wandeln, wenn nicht aufzuheben, irrt Das beweist die Erfahrung in der Bundesrepublik.

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