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Die KP II

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Seit dem 4. November 1956 ist man in der Weltpresse eifrig dabei, die Saga von der unvermeidbaren Liquidation der KP jenseits des Eisernen Vorhanges zu kolportieren. Eine gewisse Koexistenzpropaganda war geeignet, den Abwehrwillen der Nichtkommunisten erheblich zu reduzieren und das Vorfeld für die Kommunisten frei zu machen. Die Annahme eines sterbenden Kommunismus kann die gleiche Wirkung haben.

Sicher hat die KP im Westen und auch in Asien viel an Anhängern verloren. Nur muß man sich fragen, ob es, vom Standpunkt der Kommunisten, die wertvollsten Elemente gewesen sind, die am Montag nach dem Buda- pester Blutsonntag ihr Mitgliedsbuch zur Verfügung stellten. Freilich, die keineswegs unansehnliche Gruppe der „gutmütigen Idioten“ konnte in wortreichen Interpretationen die Welt oft über die tatsächlichen Ziele des Kremls täuschen. Auch die Opportunisten vom Rang eines Sartre waren, wie bei Straßendemonstrationen, die an der Spitze marschierenden Frauen und Kinder, wohl brauchbar, um in sonst der KP unzugängliche Bereiche einzudringen. Das ist nun zum Teil und vorläufig anders. Die KP weiß nun, auf wen sie rechnen kann: Auf diejenigen, für welche der Kommunismus sowohl Glaube in einem besonderen Sinn (Inhalt einer pervertierten Religiosität) ist, wie auch eine Form „innerweltlicher Askese", zu deren Hebung zugleich das Ertragen von „Anfechtungen“ und solcher Ereignisse wie in Ungarn gehört. Schließlich soll aber auch nicht übersehen werden, daß der KP weiterhin eine stattliche Reihe von Vorfeldgruppen hörig sind, die, wie die „Union" (wir meinen die ostdeutsche CDU), den Befehl haben, sich „bürgerlich“ zu gebärden und ein groteskes Theater für besonders qualizierte Dumme aus dem nichtkommunistischen Lager vorzuführen, was den Akteuren deshalb nicht schwer fällt, weil sie für das Ertragen des „Arbeitsleides“ vom Kreml bzw. von der „Handkasse" der jeweiligen KP bestens honoriert werden, entweder direk - oder indem man sie am „Profit irgendwelcher Transaktionen kommerzieller Art Anteil haben läßt.

Am Beispiel der Deutschen Bundesrepublik können wir sehen, daß die KP, für den Fall, daß sie in Schwierigkeiten außerordentlicher Natur gerät, wohl vorgesorgt hat. In Westdeutschland ist die KP heute verboten, also formell liquidiert. Für diesen Fall wurde aber schon lange vorgesorgt, weil die „konspirative“ Tätigkeit zum Wesen der KP da gehört, wo sie nicht an der Macht ist, sie mag verboten sein oder nicht. Wer die jeweilige KP führt und wer tatsächlich zu ihren Mitgliedern gehört, ist stets nur zum Teil bekannt. Das gilt nicht allein für die Gegner, sondern sogar für die eigenen Leute. In Erwartung eines geradezu provozierten Verbotes hat die SED schon lange vor dem offiziellen Verbot eine Schattenführung für die westdeutsche KP geschaffen und zu diesem Zweck bereits vor vielen Jahren Funktionäre für „Sonderaufgaben" freigestellt. Diese „entpflichteten“ KP-Funktionäre führten für die breite Oeffent- lichkeit, einschließlich der Polizei, ein betont biederes und beschauliches Leben, „fern von aller Politik“, sie waren auffällig un-, über- und außerparteilich. Freilich: In ihren Privatwohnungen wurden alle wichtigen Parteidokumente verwahrt und nicht etwa in den Zentralen, wo man der Polizei nur etwas zum Finden hinlegen mußte.

Der neue Boß der westdeutschen KP im Untergrund ist nicht einer der alten Führer, sondern ein „Berufs-Arbeiterführer", der sechzig Jahre alte Hermann Schirmer aus Bayern, der Nachfolger des tödlich verunglückten Franz Geittner. Der Chef Schirmers ist wieder der im Berliner „Glaspalast“ (dem ehemaligen Sitz der Reichsführng der HJ und jetzt Zentrale des Gehirntrustes der SED) residierende Kaderchef KarlSchwirdewan, welcher die Durchführung der Aufträge dem Leiter der „Verkehrsabteilung“, Hans Rosenberg, überträgt.

So besteht die KP des deutschen Westens und ist organisatorisch ungebrochen, wenn es auch den Anschein haben mag, sie sei nun endgültig vernichtet. In den Kaderschulen werden laufend jene Funktionäre herangebildet, welche die nun langsam alt werdenden Spanienkämpfer, die bisher das Gros der Führer stellten, ablösen sollen.

Beim Verbot und den nachfolgenden Inhaftierungen von KP-FühTern konnte man dagegen nur der unbedeutenden „Sitz-Funktionäre" habhaftwerden, die erstens wenig wissen und zweitens fast durchweg Arbeiter sind und sich als Märtyrer besser eignen, als die Intellektuellen der tatsächlichen Führung, die dem Arbeiter so fern stehen wie der „Kapitalist“ in der Darstellung des orthodoxen Marxismus.

Auch die Betriebsgruppenarbeit der KP läuft auf vollen Touren und läßt in keiner Weise den Schluß zu, daß die westdeutsche KP tot ist. Ziel ist die Zersetzung der Gewerkschaften und der SPD, die für den Kommunismus anfälliger ist als man glauben möchte. Nach den ungarischen Ereignissen ergab es sich, daß die SPD in ihrer fanatischen Fixierung gegen Adenauer nicht stets die rechte Position in der Beurteilung der Ereignisse einzunehmen wußte, sehr zum Unterschied von der SPOe, die in keiner Situation der ungarischen Geschehnisse eine Solidarität mit der KP auch nur andeutete.

In der Betriebsgruppenarbeit bedient sich die bundesdeutsche Untergrund-KP der Parteilosen, die nach außen hin die Interessen der KP unter bestmöglicher Tarnung der wahren Absichten, zu vertreten haben, wenn sie nicht gar unbewußt die Befehle von Pankow ausführen. Eine deutsche Zeitung schrieb vor kurzem in diesem Zusammenhang: „Der Kollege Parteilos dürfte zur propagandistischen Schlüsselfigur der KP werden“ („Soziale Ordnung“, 12/1956, S. 190). Die in Fünfergruppen organisierten KP-Propagan- disten in den deutschen Großbetrieben sichern jedenfalls den Fortbestand der westdeutschen KP auch als Massenorganisation.

Die KP hat im internationalen Maßstab das Gesicht verloren, im Westen erst im Jahre des Unheils 1956, im Osten schon seit Jahren. Aber Moskau weiß nun, wie weit es sich auf seine „Gläubigen“ verlassen kann, und wird sich bemühen, seine Argumente für die Gewinnung der Dummen völlig neu zu formulieren. Wir können das baldige Auftauchen der neuen Formeln erwarten. Das Publikum ist dafür da und um so zahlreicher, je weiter ein Land vom Eisernen Vorhang entfernt ist.

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