6776390-1969_24_06.jpg
Digital In Arbeit

Generallinie — Linie der Generale?

Werbung
Werbung
Werbung

Schon in Karlsbad begann eine Kampagne für eine internationale Konferenz. Im Februar 1968 trat eine Vorbereitungskonferenz in Budapest zusammen, wo —wie aus der Pistole geschossen — die Vertretungen einiger Parteien schon fix und fertig vorschlugen, im November desselben Jahres, also im November 1968, eine Beratung aller Kommunistischen Parteien in Moskau durchzuführen.

Man wußte nicht recht, warum eigentlich. Sollte der alte Plan realisiert werden, eine gewisse Frontstellung gegen die chinesischen Kommunisten zu erreichen? An Invektiven gegen sie hat es in der Vorbereitungskonferenz nicht gefehlt. Aber sonst fielen noch einige Töne, die zeigten, daß man überhaupt Wert darauf legte, eine gewisse Ausrichtung zu erwirken, die nicht nur die chinesischen Kommunisten betrifft. Der Vertreter der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zum Beispiel sagte wortwörtlich, die Kommunistische Weltbewegung brauche eine Generallinie. Ein halbes Jahr später mußte man sich melancholisch fragen, ob er damit eine Linie der Generale gemeint hat. Konkret wurde also der Vorschlag aufgenommen, im November 1968 in Moskau diese Konferenz durchzuführen; zu ihr ist es nicht gekommen. Denn dazwischen liegt der 21. August, und es war auch den entschiedensten Protagonisten der Konferenz klar, daß die Konferenz verschoben werden muß. Und es war ebenso klar, daß angesichts der Invasion der Tschechoslowakei eine Frontstellung gegen irgendeine Partei auf so einer Konferenz derzeit nicht möglich ist.

Deshalb trägt die Konferenz, die am 5. Juni in Moskau zusammengetreten ist, die Losung „Kampf für die Einheit der antiimperialistischen Kräfte“. Obwohl man nicht ganz genau weiß, was sie beschließen wird, ist es ziemlich wahrscheinlich, daß es zu keiner Exkommunikation und zu keinem Bannfluch kommen wird, man wüßte auch nicht, gegen wen, und daß die Konferenz sich im wesentlichen auf den Appell zur Einheit konzentrieren wird. Das Dokument, das dort beschlossen werden soll, kann daher nur deklarativen Charakter haben, und deklarative Deklarationen tragen immer das Risiko in sich, daß sie mit der Wirklichkeit und der Praxis konfrontiert werden. Ziemlich wahrscheinlich ist auch, daß das Dokument sehr lang sein wird. Lenin hat einmal auf einem Kongreß der Kommunistischen Internationale gesagt, die russischen Kommunisten muten den ausländischen Kommunisten zuviel zu, wenn sie zu lange Resolutionen machen; dabei waren das damals sechs bis acht Seiten. Aber was man Kommunisten zumutet, ist inzwischen beachtlich gestiegen.

Worüber man sich, man kann zur Konferenz stehen wie man will, verständigen kann, ist, daß die Teilnahme an dieser Konferenz kein Kriterium für eine kommunistische Partei ist. Sechs kommunistische Regierungsparteien werden an dieser Konferenz nicht teilnehmen. Es sind die Parteien Chinas, Vietnams und Koreas, Albaniens, Jugoslawiens und Kubas. Es werden auch solche Parteien nicht teilnehmen wie die Japans und Hollands. Eine große Schwäche besteht darin, daß Asien außerordentlich schwach vertreten sein wird, durch die Absenz Chinas, Koreas, Vietnams — aber auch durch die Nichtteilnahme Japans und einer der zwei indischen Kommunistischen

Parteien, nämlich der größeren. Hier stoßen wir auf ein weiteres Problem dieser Konferenz. In manchen Ländern gibt es zwei kommunistische Parteien, bei der Konferenz wird nur eine vertreten sein. Aus Israel ist nur jene kommunistische Partei vertreten, deren Mehrheit vor allem Araber sind. Der anderen wird vom vorbereitenden Komitee vorgeworfen, daß sie nationalistische Positionen bezieht. Das soll bei anderen kommunistischen Parteien auch vorkommen. Ein anderes Land, wo es zwei Parteien sind, ist, wie gesagt, Indien. Da gibt es also die Dange-Kommunisten und die anderen Kommunisten, die sich Marxisten-Leninisten nennen und die man die längste Zeit als die prochinesischen Kommunisten bezeichnet hat. Aber an und für sich kann das kein Vorwurf sein, denn es wurde ja auch die Kommunistische Partei Chinas nach Moskau eingeladen. Und zweitens sind diese sogenannten pro-chinesischen Kommunisten seit längerer Zeit selbst Objekt der Kritik der chinesischen Presse. Es ist die stärkere Partei, die in dem berühmten Staat Kerala bekanntlich die Regierungsmehrheit stellt. Dann gibt es ein anderes Land, das ist Griechenland, wo sich vor einigen Wochen mehr oder minder zwei Parteien konstituiert haben. Vertreten ist jene, die in der Emigration bessere Beziehungen hat und die auch die Intervention vom 21. August begrüßt hat; während jene, der zum Beispiel Manolis Gle zos angehört, die im Land verwurzelt ist und die die Intervention verurteilt hat, nicht vertreten ist. Angesichts dieser Problematik teile ich nicht die Hoffnung, die in den Beschlüssen mancher kommunistischen Parteien zum Ausdruck gekommen ist, daß diese Konferenz ein bedeutsamer Schritt auf dem Wege des Zusammenschlusses der Kommunistischen Weltbewegung sein wird. Man sollte eine Scheu haben, Formeln zu verwenden, die man immer verwendet hat — und diese Formel hat man sowohl nach der Konferenz 1957 als auch nach der Konferenz von 1960 strapaziert. Sie ist bekanntlich durch die Ereignisse nicht geradezu bestätigt worden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung