Das liberale Dilemma

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Die NEOS haben uns wieder einmal eine kleine Liberalismus-Debatte beschert. Gut so. Ein Plädoyer für eine Allianz von Liberalismus und Konservativismus.

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Die NEOS haben uns wieder einmal eine kleine Liberalismus-Debatte beschert. Gut so. Ein Plädoyer für eine Allianz von Liberalismus und Konservativismus.

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Im Vorfeld ihres Bundesparteitags, bei dem Reinhold Mitterlehner definitiv als Obmann auf den Schild gehoben werden soll, steht naturgemäß die ÖVP verstärkt im medialen Fokus. Just in diesen Tagen hat aber auch jene Partei für Schlagzeilen gesorgt, die gemeinhin als ernsthaftester Gegner der Volkspartei gilt: freilich nicht vom Stimmengewicht her, wohl aber weltanschaulich, halten doch viele die NEOS für die frischere, jüngere Schwester der etwas verbiesterten ÖVP - oder anders gesagt: für Bürgerliche mit freundlichem Antlitz.

Die jüngste mediale Aufmerksamkeit war den Pinkfarbenen indes imagemäßig wohl weniger zuträglich: das Kastaniengedicht des Parteichefs wurde erstens als peinlich und zweitens als Anbiederung an den Boulevard verstanden, der Vorstoß für die Freigabe von Cannabis (oder auch noch weiterer Substanzen) stieß weit über bürgerliche Kreise hinaus auf Ablehnung. Gleichwohl hat sich aus dieser Gemengelage auf der Metaebene wieder einmal so etwas wie eine kleine Liberalismus-Debatte entzündet. Was heißt eigentlich "liberal"? Um es in typisch journalistischer Manier abzukürzen: nicht viel oder fast alles. Die NEOS sind eben im Begriff, auf der Ebene der österreichischen Innenpolitik nach dem Liberalen Forum zum zweiten Mal den Beweis dafür anzutreten.

Im Zweifel links

"Liberal" braucht eine Ergänzung, entweder zur Linken oder zur Rechten. De facto dürften das die NEOS ja auch intuitiv spüren, weswegen sie sich, wie sich immer deutlicher abzeichnet, an den Grundsatz "in dubio sinister"(im Zweifel links) zu halten scheinen. Das war auch schon das "Erfolgsrezept" des Liberalen Forums, mit dem sich die NEOS bekanntlich fusioniert haben. Eine relativ klar linksliberal positionierte Partei gibt es freilich schon seit geraumer Zeit, und das sind die Grünen (und in Teilen die SPÖ).

Was es indes nicht gibt, ist eine rechtsliberale oder besser: liberalkonservative Partei. Manche im BZÖ wären das vielleicht gerne gewesen, das Team Stronach glaubt, dass es das werden könnte - und die ÖVP "evolutioniert" noch, ob sie sich das trauen soll. Das ist insofern bemerkenswert, weil man nicht unbedingt ein professioneller Politikbeobachter sein muss, um zu erkennen, dass einzig in diesem Bereich des Parteienspektrums noch Platz ist. Alles andere ist hingegen relativ gut abgedeckt, um es einmal freundlich zu sagen.

Freiheit in Verantwortung

Nach den selbsternannten Hütern der reinen liberalen Lehre ist "liberalkonservativ" natürlich ein Unding, denn, wie schon Heide Schmidt stets dozierte, Liberalismus sei eben unteilbar. Man könne nicht für Freiheit und Eigenverantwortung in der Wirtschaft plädieren, und gleichzeitig den Leuten vorschreiben , was sie im Schlafzimmer zu tun hätten. Das klingt lustig und kommt immer gut an. Nur stimmt es nicht, weil keine bürgerliche, konservative oder christdemokratische Partei auf die Idee käme, sich ins Privat- oder gar Intimleben der Bürgerinnen und Bürger einzumischen.

Sehr wohl aber haben solche Parteien bestimmte leitende Bilder und Vorstellungen von Mensch und Gesellschaft. Die haben sie freilich auch von der Wirtschaft - und auch dort gilt nicht die Devise "Macht, was ihr wollt", sondern das Prinzip der verantworteten Freiheit oder Freiheit in Verantwortung. Was als "Neoliberalismus" verteufelt wird, meint ideengeschichtlich genau dies (im Gegensatz zum totalen Laissez-faire): dass Freiheit Spielregeln braucht und dass deren Einhaltung unerlässlich ist. Nur wer auf festem Fundament steht, starke Wurzeln hat, kann sich in alle Richtungen frei bewegen und entfalten. Das ist der tiefere Grund, weshalb Konservative und Liberale natürliche Verbündete sind. Möglicherweise interessiert das ja auch den neuen ÖVP-Obmann und seine evolutionären Garden.

rudolf.mitloehner@furche.at |

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