Sacharbeit, was sonst?

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Wie sich Politik selbst abschafft - und warum Andreas Khol recht behalten hat.

Zu den Politphrasen, die keiner mehr hören kann, zählt jene von der "Sacharbeit", zu der man "zurückkehren" wolle, oder die "verstärkt in den Vordergrund zu stellen" sei. In diesem Sinne äußerte sich zuletzt etwa VP-Chefperspektivler Josef Pröll - aber die Floskel ist so wohlfeil wie parteipolitisch ungebunden und erwärmt in unregelmäßigen Abständen der Wählerinnen und Wähler Herz. Zumal Große Koalitionen scheinen besonders anfällig dafür zu sein, sich habituell zur "Sacharbeit" zu ermahnen, die nicht vom tagespolitischen Streit überlagert werden dürfe. Das liegt bis zu einem gewissen Grad in der Natur der Sache, vereint diese Regierungsform doch zwei große, historisch gewachsene Parteien unter einem Dach, die sich - hoffentlich - in ihren Menschen- und Gesellschaftsbildern hinreichend unterscheiden.

Wie aber lässt es sich erklären, dass uns die derzeitige Ausprägung des "immerwährenden" Bündnisses von Rot und Schwarz ganz besonders nervt? Dass uns diese neuaufgelegte Große Koalition unerträglicher erscheint als ihre früheren Inkarnationen, dass uns diese Regierung mehr zermürbt, verdrießlicher stimmt als ihre Vorfahren, deren Fehler sie doch gerade um jeden Preis zu vermeiden versprach?

Zum einen hat das wohl mit den Jahren 2000 bis 2007 zu tun, als die Republik nach längerer Zeit wieder eine Ahnung davon bekam, was es heißt, wenn Politik gemacht wird. Da gab es einen Bundeskanzler und Parteichef, der vielleicht keine Vision, aber doch eine auf seiner weltanschaulichen Basis gründende Vorstellung von diesem Land hatte und diese, wie unvollkommen auch immer, zu realisieren wusste. Und es gab eine Opposition, die das alles ganz schrecklich und falsch fand - und dies auch entsprechend artikulierte. So weit, so gut und normal. (Die Normalität wurde allerdings dadurch nicht unbeträchtlich getrübt, dass der kleine Koalitionspartner von der Kanzlerpartei immer so weit an der langen Leine gehalten werden musste, dass er glaubte sich frei bewegen zu können, und dass man die schlechten Manieren des Kläffers ständig schönreden musste - "er will nur spielen".)

Zur Zeit aber erleben wir die fortwährende Selbstdelegitimierung von Politik. Wir sind Zeugen eines Prozesses, in dem sich Politik mangels Substanz mehr und mehr in "Übersprungshandlungen" flüchtet, in Scheindebatten und symbolische Handlungen. Wir stellen fast täglich fest, dass es gerade nicht um das geht, worüber vorgeblich debattiert wird: Es geht nicht um Pflege, Gesundheit, Bildung, Sicherheit, Europa - sondern um die parteitaktische Instrumentalisierung dieser Themen. Es geht gerade nicht um Sacharbeit, sondern um Strategie.

Das leitende Prinzip der Koalitionspartner ist nicht, Österreich "gerechter", "sozialer", "sicherer", "weltoffener", "wettbewerbsfähiger", "familienfreundlicher" zu machen - sondern dem jeweils anderen genau diese Absichten abzusprechen und ihm keinen Erfolg zu gönnen. Wenn Österreich nicht "gerechter" etc. wird - dann ist jedenfalls die SPÖ/ÖVP schuld. Angesichts dieser performance brauchen die Untoten der sozialistisch-nationalen Bewegung nur die Hände aufzuhalten; in Graz und Niederösterreich werden wir bald sehen, dass der rechte Wind schon wieder recht kräftig die Segel bläht. (Dass für das auf zeitgeistig-yuppiehaft gestylte Derivat dieser Bewegung dennoch Flaute herrscht, mag an der "Beschädigung" durch die seinerzeitige Regierungsbeteiligung oder einfach am alten Satz vom "Schmied" und vom "Schmiedl" oder an beidem liegen.)

Verschärft werden diese unerquicklichen, das politische Geschäft diskreditierenden Zustände noch durch den janusköpfigen Boulevard: da der rückwärtsgewandte Greis in der Muthgasse, der in seinem Anti-EU- und sonstigen Geifer zuletzt wieder zur Hochform aufgelaufen ist; dort die (vorgeblich) moderne Variante, die von schamloser Verzerrung und Personalisierung (z. B. Arigona) lebt.

Übrigens: Andreas Khol hat Alfred Gusenbauer laut Kleiner Zeitung als "ausgezeichneten Bundeskanzler" gelobt. Richtig: Und weil die Wahrheit eine Tochter der Zeit ist, sieht die Politik eben so aus, wie sie aussieht.

rudolf.mitloehner@furche.at

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