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Gesunder Bauernstand

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In klimatisch und produktionstechnisch ungünstigen Gebieten und in Industriestaaten stellt die Erhaltung eines gesunden Bauernstandes zweifellos ein Sonderproblem dar. Diese Erkenntnis ist im allgemeinen unbestritten. Auseinander gehen aber die Meinungen darüber, welche Wege geeigneter sind, dem gesetzten Ziele zu dienen.

Verlockend ist der Gedanke, durch staatliche Reglementierung von Ein- und Ausfuhr, von Produktion und Absatz im Inland die Landwirtschaft aus der Marktwirtschaft, aus Wettbewerb und Preiskonkurrenz herauszuhalten. Dabei werden allerdings eine Reihe von Schwierigkeiten und Nachteilen übersehen. Fürs erste heißt Ausschaltung der Marktwirtschaft, gegen den Strom schwimmen. Es gibt in Zukunft kein vereintes Europa ohne europäischen Markt und es gibt insbesondere für kleine Staaten keine befriedigenden Handelsverträge ohne Zugeständnisse in bezug auf Liberalisierung des Handels. Aus diesem Grunde wird auf diesem Wege immer nur ein beschränkter Schutz des Bauernstandes erreichbar sein.

Fürs zweite ist es ein Ding der Unmöglichkeit, daß die Handhabung eines solchen Systems von den Bauern allein bewerkstelligt wird. Die Vertreter der Konsumenten werden hier, entsprechend ihrer zunehmenden Stärke, immer ein gewichtiges Wort mitreden. Diese Tatsache kann sich für die Landwirtschaft sogar nachteilig auswirken. Wir haben es nicht in der Hand, daß trotz aller gegenteiliger Bemühungen die Kaufkraft des Geldes wie in anderen Staaten so auch bei uns weiter zurückgeht. Dabei werden die Preise der der Marktwirtschaft entzogenen Waren immer nur nachhinken und erst nach schwerem Kampf einer Aenderung zu unterziehen sein.

Fürs dritte wird durch die Einführung einer solchen Reglementierung in der Bauernschaft die Mentalität großgezogen, sich in allem auf die öffentliche Hand zu verlassen. Der Ansporn, durch Leistungssteigerungen konkurrenzfähig zu bleiben, wird viel eher ausbleiben.

Ferner hat jede Reglementierung im Innern Freiheitsbeschränkungen, Bürokratismus und zusätzliche Verwaltungskosten zur Folge. Wie un angenehm dies in der Bauernschaft empfunden wird, sollte nicht erwähnt werden müssen.

Zur Bekräftigung der bäuerlichen Forderung auf gesetzliche Preissicherung wird darauf hingewiesen, die Industrie habe sich durch hohe Zölle und Kartelle auch von der Marktwirtschaft möglichst unabhängig gemacht. Dieser Einwurf müßte aber besser zu dem Schluß führen, daß im allgemeinen Interesse hohe Industriezölle zu bekämpfen und Kartelle zu verbieten sind.

Die bisherigen Ausführungen sollen nun nicht den Zweck haben, jeglichen Schutz für die Landwirtschaft in handelspolitischer Hinsicht zu verneinen. Was in dieser Beziehung für die Industrie recht ist, gilt nicht weniger für die Landwirtschaft. Falsch wäre es aber nach meiner Ueberzeugung, das Hauptgewicht der Agrar-

politik auf die Parole zu setzen: „Nicht Marktwirtschaft, sondern gesetzliche Preisregelung.“ Bezogen auf die gegenwärtig diskutierte Frage der Schaffung eines umfassenden Landwirtschaftsgesetzes soll nun nicht gesagt sein, daß alle bisherigen staatlichen Regelungen aufhören sollen. Die Bestimmung, daß die Einfuhr ausländischen Getreides an die Uebernahme einer entsprechenden Menge Inlandsgetreide gebunden wird, ist jedenfalls sinnvoll. Die Beibehaltung der Preisregelung bei Mehl und Brot ermöglicht weiterhin die wünschenswerte Begünstigung der Schwarzbrotkonsumenten. Nicht einzusehen ist aber die weitere Beibehaltung der Preisregelung bei Schweine- und Kalbfleisch, nachdem bei Rindfleisch schon längst keine Preisregelung mehr gebraucht wird. Auf milchwirtschaftlichem Gebiete müßte wohl auch darüber diskutiert werden können, die Preisregelung noch für Konsummilch beizubehalten, nicht aber für Butter und Käse. Sofern sich bei Butter die Notwendigkeit einer Ueberschußverwertung ergibt, kann diese ebenso wie heute erfolgen. Auch ist nicht einzusehen, daß die direkte Milchabgabe vom

Bauern an den benachbarten Konsumenten weiterhin verboten bleibt bzw. nur mit besonderer Bewilligung möglich sein soll. In normalen Zeiten ist das doch die gewaltsame Unterbindung eines natürlichen Rechtes, wo sich Produzenten und Konsumenten in gleicher Weise betroffen fühlen müssen. Mit diesen Beispielen soll nur gesagt sein, daß eine künftige Gesetzgebung nicht noch neue Einschränkungen der Marktwirtschaft bringen soll, sondern eher weitere Befreiungen.

Die bisherigen Erfahrungen beweisen, daß es eine Reihe anderer Möglichkeiten gibt, das Ziel, die Erhaltung eines gesunden Bauernstandes, weitgehend zu erreichen, und zwar mit Mitteln, die auf viel weniger Widerstand stoßen. Da verdient einmal das Bemühen Anerkennung, die bäuerlichen Steuern niedrig zu halten. Ferner die Entlastung des Bauernstandes durch Staatszuschüsse bei der Kinderbeihilfe, bei der Altersversorgung, für Kunstdünger und Molkereiprodukte, für Frachtkosten in Berggebiete bei bäuerlichen Bedarfsgütern und dergleichen mehr.

Auf weite Sicht gesehen, muß der Bauernstand besonders auch an der Durchführung von Strukturverbesserungen interessiert sein. Wenn diese Maßnahmen in anderen Staaten gepflegt werden, wir aber jn einem Gefühl staatlicher Geborgenheit darauf verzichten würden, dann könnte es eines Tages ein böses Erwachen geben. Strukturverbesserungen, seien es nun Grundzusammenlegungen, Meliorationen, Weg bauten oder andere Betriebsverbesserungen, kosten aber viel Geld. Wenn die öffentliche Hand in zunehmendem Maße bereit ist, hierzu Mittel bereitzustellen, ist dies für die Lebensfähigkeit des Bauernstandes ebenfalls eine ungeheuer wichtige Angelegenheit. Das gleiche kann von der fachlichen Berufsausbildung, der Bekämpfung von Seuchen und dergleichen gesagt werden.

Aehnlich wie bei der Wohnbauförderung wird in Zukunft bei der Landwirtschaftsförderung auch die Bereitstellung verbilligter Kredite bei langfristigen Investitionen noch mehr notwendig sein.

Zugegeben, daß alle diese Förderungsmittel keine Garantie geben für die sogenannte Parität, für gleiches Einkommen und gleichen Lebensstandard. Wer sich aber vom Wege der Reglementierung so etwas verspricht, läuft ebenfalls einer Utopie nach, einer aussichtslosen Sache. Die Lebensbedingungen im Bauernstand waren im allgemeinen immer bescheidener und werden es bleiben. Wenn das Einsehen und die Bereitschaft hierzu aufhört, dann wird auch der gesunde Bauernstand aufhören.

Eine Verbesserung der Lebensbedingungen soll selbstverständlich jeder Stand anstreben, aber man soll nicht im Streben nach Unmöglichem das wertvolle Gut der wirtschaftlichen Freiheit und Eigenständigkeit aufs Spiel setzen und dann zudem noch ein Opfer der ewigen Unzufriedenheit werden.

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