Dialog Gespräch - © Foto: iStock / Anton Vierietin

Corona & Dialog: Am Anderen wachsen

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Die Regierung hat die Aufarbeitung der Coronakrise gestartet. Ein wissenschaftliches Projekt soll die Polarisierung beleuchten und Wege zum Dialog aufzeigen. Ein philosophischer Blick wäre dabei wichtig.

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Die Regierung hat die Aufarbeitung der Coronakrise gestartet. Ein wissenschaftliches Projekt soll die Polarisierung beleuchten und Wege zum Dialog aufzeigen. Ein philosophischer Blick wäre dabei wichtig.

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Das „Zwischen“: So nennt Martin Buber den wahren Ort menschlicher Begegnung. Der in Wien geborene jüdische Philosoph (1878–1965) ist als Begründer des dialogischen Denkens in die Geschichte eingegangen. Entscheidend für einen gelungenen Dialog ist für ihn die Haltung der Beteiligten. Sie sollte geprägt sein von Präsenz und Respekt für den Anderen, von Offenheit und Absichtslosigkeit. Diese Haltung ermögliche es, bei vollem Gewahrsein der eigenen Grenzen, der Andersartigkeit des Anderen „innezuwerden“, so der Philosoph.

Er selbst hat dies offenbar glaubhaft verkörpert: Das bezeugt beispielsweise Laura Perls, die Bubers Frankfurter Vorlesungen als Studentin erlebt hat und von seiner gelebten Haltung zutiefst beeindruckt war. Als sie später mit ihrem Mann Fritz Perls die Gestalttherapie entwickelte, floss das dialogische Prinzip als philosophische Grundlage mit ein. Ein guter Dialog ist zweifellos heilsam; und es wundert nicht, dass Buber, der zuletzt als Professor für Soziologie an der Jüdischen Universität in Jerusalem tätig war, generell großen Einfluss in der Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie entfaltet hat.

Therapeutisches Framing

Dass der österreichische Bundeskanzler ein quasi therapeutisches „Framing“ für die aktuelle Aufarbeitung der Coronakrise gewählt hat, ist insofern bezeichnend. Schließlich will er einen heilsamen „Weg des Dialogs“ beschreiten, um wieder mehr Verständnis zwischen sozialen Gruppen herzustellen, die durch die krisenbedingte Polarisierung auseinandergedriftet seien. Bereits im Februar hatte Karl Nehammer (ÖVP) die Pandemie als „eine Art Trauma“ bezeichnet, das tiefe Gräben in der Gesellschaft hinterlassen habe und nun zu bewältigen sei.

Letzten Donnerstag wurde die von der Regierung angekündigte Aufarbeitung offiziell gestartet: Unter dem Dach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist eine sozialwissenschaftliche Analyse geplant. Die Themen umfassen die Polarisierung, politische Zielkonflikte, Politikberatung und öffentliche Kommunikation sowie Wissenschaftsskepsis. Auch Vergleiche mit anderen Staaten sollen angestellt werden, um die politischen Maßnahmen während der Pandemie zu evaluieren. Ein internationaler Beirat begleitet den Prozess und ermöglicht somit einen Blick über den österreichischen Tellerrand.

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