seidl - © Foto: APA/Hans Klaus Techt

Ulrich Seidl: „Ich hoffe, dass der Film für sich selbst spricht“

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Im Gespräch mit der FURCHE spricht Regisseur Ulrich Seidl über den Umgang mit seinem Skandal und über seinen neuen Film „Sparta".

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Im Gespräch mit der FURCHE spricht Regisseur Ulrich Seidl über den Umgang mit seinem Skandal und über seinen neuen Film „Sparta".

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Mit seinem neuen Film „Sparta“ landete Ulrich Seidl im Vorjahr einen handfesten Skandal – allerdings völlig unfreiwillig. Vor der Premiere im Herbst 2022 beschuldigte ein Artikel im Nachrichtenmagazin Der Spiegel den Regisseur, am Set in Rumänien mitwirkende Kinder schlecht behandelt oder deren Eltern nicht die Wahrheit über den Inhalt des Films mitgeteilt zu haben.

DIE FURCHE: Herr Seidl, der Film handelt von einem Mann, der seine pädophilen Neigungen unterdrückt, weil er kein Täter werden will.

Ulrich Seidl: Auf der einen Seite hat er diese Neigung, bei der sich sofort jeder Zuschauer abwendet. Andererseits erzählt der Film doch auch von einem Menschen, der leidet, dessen Leiden man nachvollziehen kann und für den man Empathie empfindet. Es ist eine Gratwanderung für das Publikum.

DIE FURCHE: Wäre der „Spiegel“-Bericht letzten Herbst anders ausgefallen, hätten die Journalisten den Film vorab gesehen?

Seidl: Da bin ich nicht sicher, denn der Film ist das eine, seine Entstehung das andere. Natürlich wird der Film auch etliche Vorwürfe in nichts auflösen, weil man ja sieht, dass nichts von dem, was in den Raum gestellt wurde, darin vorkommt. Hier gibt es keine sexualisierten Szenen oder Konfrontationen mit Gewalt. Davon ist der Film ja weit entfernt.

DIE FURCHE: Wie kann man sich das Drehbuch zu „Sparta“ vorstellen? Ist es wieder eine Szenensammlung ohne Dialoge, die Sie da mit Veronika Franz verfasst haben?

Seidl: Es gibt keine geschriebenen Dialoge in meinen Drehbüchern. In keinem. Das war schon immer so. Neu war hier, dass dieses Script zunächst die beiden Filme „Rimini“ und „Sparta“ von der Struktur her in einem Buch vereinte. Und dass wir erst hinterher die Filme getrennt haben. Es gibt bei mir immer wieder Situationen, in denen ich Szenen drehe, von denen ich noch nicht genau weiß, wo sie im fertigen Film landen werden. Auch wie ein Film anfängt oder endet, ist nicht immer ganz klar definiert. Es gibt viele Möglichkeiten. Deswegen dauert der Schnitt auch meistens sehr lange. Einiges ist nicht im Drehbuch, ergibt sich beim Dreh. Es gibt im Film eine Schneeballschlacht, mit Georg Friedrich und etlichen Buben. Die Schlacht ist inszeniert, weil Friedrich weiß, was er tun soll und die Kinder gecastet sind. Was aber genau vor der Kamera passiert und wohin die Schneebälle fliegen, ist Zufall.

DIE FURCHE: Gab es vor der Wien-Premiere des Films bei der Viennale 2022 bei Ihnen eine spürbare Anspannung aufgrund der Vorwürfe?

Seidl: Ich vertraute da ganz auf den Film. Ich hoffe auch, dass der Film für sich selbst spricht und das Publikum das auch sieht. Ich habe da ein gutes Gefühl. Die Umstände können leider nicht mehr rückgängig gemacht werden. Jeder, der diesen Film sieht, wird die Mediengeschichte dazu im Hinterkopf haben.

DIE FURCHE: Eine grundsätzliche Frage: Ist die Arbeit an einem Filmset nicht diametral entgegen dem Verständnis einer demokratischen Gesellschaft organisiert? Schließlich gibt es eine starke Hierarchie am Set, und am Ende entscheidet einer über alles: der Regisseur.

Seidl: Man kann das provokant formulieren, so wie ich es oft an Schulen gesagt habe: Film ist nicht Demokratie. Aber eine Hierarchie zu haben, ist per se nichts Schlechtes. Um miteinander zu arbeiten, ist es gut, eine Ordnung zu haben, sonst funktioniert das nicht. Hierarchien gibt es überall, im Staat, im Büro, in der Schule. Es ist nur der Missbrauch dieser Machtverhältnisse schlecht, egal, ob in Kirchen, im Altersheim, bei den Pädagogen. Das Problem ist nicht das System, sondern der Mensch, der es missbraucht.

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