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Ohne Brille durchs Leben

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Vom 9. bis 13. Juni fanden heuer die Österreichischen Film Tage Wels statt. Um rund eine Million Schilling ärmer - Kulturminister Schölten steht bekanntlich nicht mehr hinter dem Festival - bot Wels, was es zu bieten hatte: österreichische Filme.

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Vom 9. bis 13. Juni fanden heuer die Österreichischen Film Tage Wels statt. Um rund eine Million Schilling ärmer - Kulturminister Schölten steht bekanntlich nicht mehr hinter dem Festival - bot Wels, was es zu bieten hatte: österreichische Filme.

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Und auf diesem Sektor hat sich offenbar im Lauf des letzten Jahres sehr wenig getan. Produktionen wie „Giu-lia Super” von Michael Cencig oder „Mit Verlust ist zu rechnen” von Ulrich Seidl sind dem österreichischen Kinopublikum nicht neu; die Filme waren bereits im Kino zu sehen.

Was abendfüllende Spielfilme betrifft - in dieser Hinsicht war Wels heuer ärmlich ausgestattet. Es sieht aus, als hätte es im letzten Jahr kein österreichisches Erzählkino gegeben, keine Geschichten oder zumindest keine neuen.

„Dir glücklichen Augen” heißt eine Ingeborg-Bachmann-Verfilmung unter der Regie von Margareta Heinrich. Beschrieben wird die Geschichte einer Frau, Miranda, die in Rom den Anwalt Josef kennenlernt. Das Glück ist perfekt aber kurz von Dauer: Josef findet eine andere, Mirandas Freundin Anastasia, die in der Welt besser verwurzelt ist, mit dem alltäglichen Leben leichter zu Rande kommt. Die schöne, sensible Miranda wagt es nicht einmal, diese Wirklichkeit anzusehen. Die Brille, die sie eigentlich tragen müßte, läßt sie in der Tasche - um den Preis, vieles nicht zu sehen.

Die glücklichen Augen nehmen nur wahr, was Miranda gerne möchte, ihre angenehme, aber wirklichkeitsfremde Interpretation der Dinge. Die Brille wird so zum Synonym für die Fähigkeit, dem Leben entgegenzutreten. Miranda verweigert die Brille, zieht es vor, das zu sehen, was sie will.

Der Film, handwerklich gut gelungen, vermittelt ein zweifelhaftes Frauenbild, Miranda läßt sich treiben wie ein Blatt im Wasser, steckt jede Ohrfeige ein, ohne je zurückzuschlagen. Zu sehen ist der Film am 19. Juni im Fernsehen.

Ebenfalls im Fernsehen - und vermutlich nur dort - läuft „Die Zeit danach”, der Film mit Matthieu Car-riere, der die Welser Filmtage eröffnet hat. Es geht dabei um Wirtschaftskriminalität und das Verhalten westlicher Manager, die Betriebe aus dem ehemaligen Ostblock übernehmen. Dieser Film hat bisher im Kino keinen Verleih gefunden. Es ist nicht das Thema, es ist die künstlerische Aufbereitung desselben, die zu wünschen übrig läßt. •

Ebenfalls eine Ost-Geschichte erzählt „Sie saß im Glashaus und warf mit Steinen”, die Annäherung an die Biographie der Jana Cernä, der Tochter der Kafka-Geliebten Milena Je-senskä.

Der Film begleitet Janas Freunde durch Prag und macht so an einem Beispiel deutlich, wie das Leben in der Tschechoslowakei von damals ausgesehen hat. DieRegisseurinNadja Seelich hat für diesen Film den Dokumentarfilmpreis der Stadt Wels erhalten.

Den Preis der österreichischen Film Tage bekam Ulrich Seidl für seinen Film „Mit Verlust ist zu rechnen”, eine Grenzland-Geschichte.

Das Interessante der Film Tage lag aber nicht dort, weder bei den Preis-verleihungen noch bei den abendfüllenden Spielfilmen. Es waren die Kurzfilme, die in Wels eigentlich das Rennen machten. Dort zeigte sich ein Potential an österreichischen Regisseuren, das in Zukunft hoffentlich an eine breitere Öffentlichkeit treten wird.

Filme wie ,Leni” von Rena Ponger oder „(Calcutta) GO” von Hans Scheugl werden in Österreich wohl kaum großartige Verbreitung erfahren: sie sind einfach zu kurz. Welches Kino in Österreich zeigt schon Kurzfilmreihen- und mögen sie noch so gut sein. Ein Film, der sehr wohl Öffentlichkeit hatte, war „Ich durfte am Tisch der Götter sitzen” von Mathias Praml: Das Interview mit Oskar Werner, kurz vor seinem Tod aufgenommen, zeigt das Bild eines zerstörten, vom langen Leben müden Menschen. Da wird keine Schönfärberei betrieben sondern einfach das Thema behandelt: Oskar Werners Leben, von ihm selbst erzählt.

Neben Werner war auch Karin Brandauer eine Retrospektive gewidmet sowie dem mittlerweile in Deutschland lebenden Peter Kern und dem Experimentalfilmer Marc Adrian.

Bleibt hervorzuheben, daß Wels heuer trotz Einsparungen nicht billiger geworden ist, die Qualität der organisatorischen Arbeit hat zumindest nicht gelitten. Und ob es neue, interessante österreichische Filme in nächster Zeit geben wird, darüber wird es im Herbst bei der „Diagonale”, dem neuen österreichischen Film-Festival in Salzburg, einen Überblick geben.

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