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Digital In Arbeit

Arbeit und Bildung

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Die Rolle der Arbeit im Prozeß um untere Menschwerdung. Von Heinrich Wei n stock.. Quelle & Meyer, Heidelberg. 166 Seiten. Preis 11 DM

Die Konstitution- der' „autonfatischen“ Fabrik, dei Fabrik ohne den Menschen, wodurch dieser darauf verwiesen ist; lediglich die Richtungsimpulse dei Produktion zu geben, läßt das Entstehen einel Situation m der Gesellschaft befürchten, die durch totale Arbeitslosigkeit Und' eine demoralisierende Muße gekennzeichnet ist. So ist es verständlich, daß die „Frage nach der Technik“ immer eiridringlichei und “besorgter gestellt wird und damit in gleiehei Weise die Frage nach der 'Beziehung der menschlichen Arbeit zum Arbeitsprodukt und zum Arbeitsmilieu. Ob „Human relations“, ob Partnerschaft odei ob- -., gar- Miteigentum*1 hinter allem.steht das verzweifelte Bemühen von Verantwortlichen, der Arbeit neuen Sinn zu geben und- dem Produktionsfaktoi „Arbeit“ ein Selbstsein zu sichern. Dabei darf nicht übersehen werden, daß am Anfang hinter den Versuchen einer Neuordnung und Vermenschlichung dei Arbeitsprozesses weitgehend auch der Wille stand durch neue Methoden in der Menschenführung der

Arbeiter zu veranlassen, bisher vorenthalten Leistungsreseryen preiszugeben. Insoweit konnte mar also in vielen mit einem bemerkenswerten Patho: vorgetragenen Versuchen einer Verpersönlichung der Arbeit nur neue und nicht besonders gut ver deckte Versuche sehen, Leistungsanreize besondere: Art.zu schaffen.

Allmählich — und dies erst in den letzten Jahr zehnten — erweisen sich die Bemühungen, im Men sehen mehr zu sehen als eine Million, dividiert durcl eine Million (A. Köstler), als ein Werk, das um de Menschen willen begönnen wurde, als Form eine sozialen Humanismus.

Weinstock, durch sein Werk „Die Tragödie de Humanismus“ bekanntgeworden, einer der grofiei Humanisten der Gegenwart, schrieb sein vorliegende Buch als Pädagoge. Er sieht im Arbeiter nicht dei Kostenfaktor oder den kommerzialisierbaren Pro duktionsfaktor, sondern den Arbeits-Menschen, Sub jekt nich* Objekt, eigenverantwortlich, dem Gegen stand seiner Arbeit durchaus selbständig gegenüber stehend. Das Buch ist — seinem Zweck nach — ein Anthropologie der. Arbeit, eine spezielle Pädagogf (ähnlich der seinerzeitigen „Industriepädagogik“).

. Der Humanismus, doch immer noch ein Vorbehal einer dünnen Intellektuellenschichte, die weitgehen

in Distanz zur Wirklichkeit lebt, soll aus seiner Vereinsamung in die Welt des Arbeitsmenschen heimgeholt werden. Dadurch aber wird dem Gedanken des Humanismus eine neue Provinz erobert. Was das Buch so lesenswert macht, .ist die Sachkenntnis des Verfassers in Bereichen, die dem Nur-Humanisten bisher weitgehend fremdes Land gewesen waren.

Umfangreiche Darstellungen sind dem Problem der Mechanisierung der Arbeit gewidmet (der „Dämonie der Technik“) und den „Wunderkuren“, angefangen von den Versuchen des „utopischen“ Sozialismus (worunter der Verfasser den Marxismus meint), mit seiner Verabsolutierung und Vergottung der Arbeit und seinem Glauben an eine geradezu progressive Perfektionierung der menschlichen Natur, über den technischen Chiliasmus bis zum heroischen, aber doch an der Oberfläche der Erscheinungen haftenbleibenden Realismus etwa eines Ernst Jünger.

Als „echte Heilverfahren“ verweist Weinstock auf die Partnerschaft, auf die Mitbestimmung, die aber sinnlos ist, wenn sie nicht zur Mitverantwortung wird, auf die Möglichkeiten, ein neues Klima zu schaffen, das geeignet ist, die bereits verkümmerten Keime der Personalität aufwachsen zu lassen. Auch die Heilkraft der Muße scheint dem Verfasser geeignet, die Arbeiterschaft (und mit ihr das Ganze des Arbeitslebens) in die Gesellschaft zurückzuführen und die Technik auf jene Positionen zu verweisen, die ihr seit je (und sie war da, seit Geschichte ist) zukommen: Werkzeug des Menschen zu sein, Mittel, ihm an die Hand gegeben, das, was Freiheit ist, als Wahlchance zu betätigen, um zur Vollperson aufzusteigen.

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