6721944-1965_16_12.jpg
Digital In Arbeit

Der Auferstehung entgegen

Werbung
Werbung
Werbung

Zu Ostern sind es zehn Jahre, daß der große Forscher und Jesuit verstorben ist. Er wollte gern, nach seiner eigenen Aussage, am Tage der Auferstehung sterben, was ihm auch am Ostersonntag, den 10. April 1955, gewährt wurde. Er führt den ganzen Kosmos in seiner Entwicklung einer Auferstehung entgegen, von der Kosmogenese über die Biogenese und Noogenese zu einer Christo-genese, in der von der Materie angefangen alle Stufen des Seienden bis zum Menschen dem mystischen Leib Christi einverleibt werden. Das sind Gedanken, wie sie jeder Christ aus der Offenbarung kennt, doch Teilhard konfrontiert sie mit den modernen wissenschaftlichen Ansichten, an deren Erforschung er als Paläontologe wesentlich beteiligt ist, von der Entstehung und Entwicklung der Materie, des Lebens und des Geistes. Glauben und Denken befruchten einander ununterbrochen in seinem Werk. Das Buch der Natur und das Buch der Offenbarung widersprechen einander keineswegs, haben sie doch den gleichen Schöpfer. Man muß nicht unbedingt zu gleichen Ergebnissen kommen wie Teilhard, er selbst wollte, wie er eingesteht, Perspektiven öffnen und zum Denken anregen; sein neues Verständnis, gewonnen aus einer ebenso intensiven Denk- wie Glaubensleistung, zwingt zur Anerkennung, selbst wo man anderer Meinung ist.

Die Literatur über ihn beginnt unübersichtlich zu werden. So ist es von Nutzen, daß seine eigenen Werke immer vollständiger in Übersetzungen vor uns liegen. Die „Auswahl aus seinem Werk“ darf besonders begrüßt werden, handelt es sich doch dabei um größtenteils noch unveröffentlichte Schriften und Vorträge, die tieferen Einblick in sein wissenschaftliches Bemühen gewäh-' ren.

Teilhard setzt für seine Theorie das gleiche Maß, wie es für jede andere wissenschaftliche Theorie auch gilt: den Zusammenhang der beobachteten Fakten unter ein möglichst einheitliches Gesetz zu bringen, das dann auch fruchtbare Voraussagen für die Zukunft ermöglicht. Dabei geht es ihm nicht um Spezial-sichten, -methoden und -disziplinen, sondern um den Gesamtzusammenhang der Phänomene. Er sieht das Universum nicht nur, wie heute gesagt wird, explodieren, sondern auch sich anordnen zum Kosmos. Mit dieser Anordnung ist einmal die Ordnung der Sonnensysteme gemeint, dann auch die Entwicklung zum Leben, wie sie auf unserer Erde stattfand. Während dort die Quantitäten eine Rolle spielen, so hier die Qualitäten, deren höchste vorläufig der menschliche Geist ist, vor dem die immense Quantität des Weltalls unwichtig wird.

Und wie die bisherige Entwicklung nicht eine ungeordnete Gärung darstellte, so wird es auch die zukünftige rtfcht' sein, sie strebt einem Ziel zu, dem Punkt Omega, nach dem letzten Buchstaben des griechischen Alphabetes so genannt: über eine immer dichtere Vereinigung der Menschheit zu einem sozialen Organismus, zur Einmütigkeit des mystischen Leibes Christi. Eines ist sicher in dieser kommenden Einheit: sie wird keine pantheistische Verschmelzung bringen (wenn Teilhard etwas klar ausgesprochen hat, so ist es dies!). Sie strebt aber auch nicht einer marxistisch verstandenen Totalisie-rung entgegen, sondern einer Einheit im Personalen durch immer größere Differenzierung der Einzelpersonen, was nur in einer Liebesvereinigung, der Menschen untereinander und mit dem kommenden mystischen Christus, möglich ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung