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Ein tragisches Mißverständnis

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In einem Augenblick, in dem sich China so offensichtlich auf einen christenfeindlichen Weg gemacht hat, beschäftigt der weitere Weg dieses Volkes alle Christen, die sich voll Sorge mit der Zukunft der Menschheit auseinandersetzen. Dabei stellt sich die Frage, warum trotz der vielen missionarischen Anstrengungen China immer noch nicht die Schwelle zum Christentum überschritten hat. Für eine Antwort scheint es mir notwendig, folgende drei Fragen zu stellen:

1. Kann China überhaupt bekehrt werden?

2. Warum hat es sich noch nicht bekehrt?

3. Wird die augenblickliche religiöse Krise jede Hoffnung auf eine Bekehrung vernichten?

Ich erhebe nicht den Anspruch, auf diese Fragen in ihrer ganzen Problematik eine letzte Antwort zu geben. Doch kann ich die Meinung eines Chinesen darlegen, der in Christus die Erfüllung seines Absolutheitsstrebens gefunden hat, der immer an den Prüfungen und Hoffnungen seiner Heimat teilgenommen hat, um das kulturelle und religiöse Erbe seiner Heimat zu pflegen.

Seit der Errichtung der kommunistischen Herrschaft in China hat man immer wieder behauptet, China könne überhaupt nicht bekehrt werden, seine Seele sei ihrem Wesen nach undurchdringbar für den christlichen Glauben; seine zu konkrete Sprache unfähig, die dogmatischen Wahrheiten zu formulieren, und sein philosophisches Wesen neige zu einem naturalistischen Pantheismus. Wenn das chinesische Volk niemals den christlichen Glauiben annehmen könnte, wäre jedoch die Katholizität der Kirche nur ein Trugbild. Unleugbar gibt es für die chinesische Sprache mit ihrem ideographischen und monosyllabischen Charakter ohne feste grammatische Regeln Schwierigkeiten, abstrakte theologische Begriffe wie Trinität, Hypostase, Transsubstantiation usw. zu übersetzen. Diese Schwierigkeiten stellen jedoch keine unüberwindlichen Hindernisse für die Erkenntnis des Glaubens dar. Wenn die heutigen chinesischen Intellektuellen sich alle Kenntnisse der modernen westlichen Wissenschaft, Technik und Philosophie aneignen können, warum sollen dann nicht auch die chinesischen Christen zu dieser Arbeit der Assimilation fähig sein? Ohne Zweifel kann die theologische, vom griechischen Denken gefärbte Sprache den auf Konkretes orientierten chinesischen Geist verwirren. Dennoch bin ich überzeugt, daß die Kirche auf Grund ihrer besten missionarischen Tradition und der vom Konzil geförderten Offenheit für die Fragen der ganzen heutigen Welt immer mehr weniger westlich und immer mehr weltweit werden und so auch ein günstiges Klima für das Erwachen und Erwachsen einer theologischen Sprache schaffen wird, die dem chinesischen Geiste mehr angepaßt ist.

Ich leugne auch nicht, daß das chinesische Denken, dem so viel an Harmonie liegt, von einem naturalistischen Pantheismus versucht wird, der übrigens eine der konstantesten Strömungen in der chinesischen Geistesgeschichte darstellt. Der Taoisimus macht tatsächlich aus dem „Tao“, dem „Weg“, das immanente Prinzip des Alls. Dieses Tao, die höchste, absolut unabhängige, unveränderliche, eine, einfache, ewige und unerschöpfliche Wirklichkeit ist allerdings nicht von unserer Welt verschieden. Darum hat Lao-tseu, der vermutliche Verfasser des Tao-te-king, das Tao mit einer Mutter verglichen, die alle Wesen wie ihre Kinder gebiert, ernährt und beschützt. Die Metaphysik, die dem chinesischen Buddhismus zugrunde liegt, kommt diesem taoisti-schen Pantheismus sehr nahe. Durch die Übernahme der Lehre des Mahayana, des großen Fahrzeuges, und der Lehre von den drei Körpern des Buddha kommt man zu der Auffassung, daß es über dem natürlichen Körper des Buddha, dem nirmanakaya, und über dem Körper der Seligkeit, dem sambho-gakaya, den Körper des Gesetzes gibt, den dharmakaya, der mit der eigentlichen Natur des Buddha identisch ist, mit anderen Worten, identisch mit seiner eigentlichen geistigen Wirklichkeit, ohne Grenzen und von gleicher Ausdehnung mit dem Universum. Dieser „Körper des Gesetzes“ stellt einerseits das All dar, anderseits stellt er die wesentliche Einheit dar, die dem Seienden unserer Welt immanent ist. In diesem Sinne ist das Wesen Buddhas nichts anderes als das Wesen aller Menschen in ihrem tiefsten Grund, nur mit dem Unterschied, daß die Buddhas sich ihres eigentlichen Wesens bewußt sind, während die anderen Seienden in der Unwissenheit leben.

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