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Schweigen ist der Ort des Vatergottes

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Es ist erstaunlich, daß ein Fachbuch, das 1970 erstmals in spanischer Sprache erschien, 1989 in den USA und drei Jahre danach in Deutschland aufgelegt wird. Andererseits hat Raimon Panikkar, Sohn einer spanischen Mutter und eines indischen Vaters, als Professor für Religionswissenschaften in Kalifornien inzwischen gewissen internationalen Ruhm erlangt.

Sozusagen von Geburt her ist er in zwei Welten daheim, mütterlicherseits in der christlichen und väterlicherseits in der buddhistischen, aber auch hinduistischen und so ist es von je her sein Anliegen, zwischen diesen Welten vermittelnd aufzutreten, was ihm über die Jahre eine große Anhängerschaft gebracht hat. Sein zuvor erschienenes Buch „Der Weisheit eine Wohnung bereiten", wurde in FURCHE 30/1991 besprochen.

Diesmal bekennt sich der Autor gleich eingangs, Wege zu befreienden Prozessen im „menschlichen und theologischen" Bereich aufzuzeigen und betont zugleich seine eigene Treue gegenüber buddhistischer Intuition einerseits, gegenüber „gelebter trini-tarischer Erfahrung" andererseits, und daß das vorliegendes Werk nicht eines der Gelehrsamkeit sei, sondern vielmehr die Frucht eigener Erfahrung.

Natürlich steckt trotz allem ein gerüttelt Maß Wissenschaft hinter seinen Texten und niemand wird erstaunt sein, wenn er einmal mit der

Analyse des Verfalles jedes Gottesglaubens in unserer westlichen Welt anfängt und als sein Ziel sieht, das Entweder-Oder gegenüber monotheistischen, non-theistischen und atheistischen Standpunkten in ein gelasseneres Sowohl-als-Auch verwandeln zu können.

Dazu dient ihm vor allem eine Untersuchung nicht der Aussagen Buddhas, sondern jener Umstände, welchen gegenüber er Schweigen bewahrt. Buddha unternimmt der Meinung Panikkars nach den Sprung in die Leere, die es nicht gibt, denn Transzendenz ist so „ rein", daß sie „nicht ist". Praktisch gesehen ist also dem Durst nach Sein und gleicherweise Nichtsein zu entsagen, was wieder eine komplizierte Formulierung des Satzes aus dem Vaterunser „Dein Wille geschehe" ist, wie überhaupt vieles im Buch sich auf diese Bitte beziehungsweise Haltung im Herrngebet reduzieren läßt. Und schließlich sagt Buddha zuletzt bloß: Vermeide die Sünde, tu das Gute, reinige den Geist.

Wichtig ist auch die Stellung des Autors zur Meinung mancher Wissenschaftler, welche die Weigerung Buddhas, zu letzten Dinge Stellung zu nehmen, einem persönlichen Agnostizismus Buddhas zugeschrieben haben. Buddha schweigt zu philosophischen Grundfragen, weil er diese für irrelevant ansieht und zwar nicht, weil er die Unfähigkeit des menschlichen Geistes erfaßt hat, das letzte Mysterium der Wirklichkeit je begreifen zu können, sondern weil das

göttliche Wort, der Logos, der Sohn Jesus als Christus nicht mehr zur Ordnung der uns zugänglichen Wirklichkeit gehört, vielmehr als Grund derselben eine unaussprechliche Manifestation dieser Ordnung ist.

In Buddha ist es dem Menschen eben möglich, die letztliche Leere jeglicher Antworten zu erkennen, weil ganz einfach jede mögliche Fragestellung von vorneherein nichtig ist und sinnlos, welche Aussage uns zurückbringt zum Motto am Beginn

vorliegenden Buches, zu einem Satz von Johannes vom Kreuz, den Panikkar bereits eingangs zitiert: „Was uns am meisten nottut ist, vor diesem großen Gott mit dem Verlangen und mit der Zunge zu schweigen. Die Sprache, die er allein hört, ist das Schweigen der Liebe".

Von Interesse sind nicht zuletzt die Aussagen des Autors über die Heilige Dreifaltigkeit als, wie er sagt, „Schlüsselbegriff" des Christentums. Die Trinität schaltet eben jede substan-zielle Interpretation des Göttlichen aus, denn die „Göttlichen Personen"

sind* eben nicht Personen, sondern Beziehungen. Trinität ist die radikale Relativität. Natürlich gibt es auch Parallelen zwischen Buddhismus und Christentum, was die, beiden Welten entstammende Mystik betrifft. Besonders schön herausgearbeitet hat Panikkar die drei Typen des Schweigens innerhalb der buddhistischen Tradition, nämlich das Schweigen des Körpers, dann der Stimme und zuletzt des Denkens, womit er selbstverständlich im Bereich christlicher, im Schauen gründender Kontemplation angelangt ist.

Zusammenfassend stellt er fest, daß innerhalb christlicher Tradition wohl der Logos als Jesus Christus erfahrbar ist, niemals aber der Vater, denn der ist Schweigen schlechthin. Das Schweigen des Vatergottes bedeutet aber wiederum, daß jeder Anspruch des Menschen auf vollständiges Begreifen aufgegeben werden muß. Was bleibt außer Liebe und Glaube, ist die Hoffnung, und auch Buddha deutet innerhalb seines non-theistischen Systems an, daß Gott, von dem er ja nicht direkt spricht, eben nicht Schweigen wäre, sondern daß, jetzt christlich gesehen, das Schweigen der Ort des Vatergottes sei. Über hundert Seiten mit Anmerkungen und durchaus brauchbaren Registern schließen ein manchmal schwieriges, jedenfalls immer interessantes Werk ab.

GOTTES SCHWEIGEN. Die Antwort des Buddha für unsere Zeit. Von Raimon Panikkar. Kösel Verlag, München 1992. 374 Seiten, öS 374,40.

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