Schattenseiten des Handy-Booms

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Enttäuschung beim Finanzminister: Nur 11,4 Milliarden Schilling für die UMTS-Lizenzen, aber Freude bei den Käufern. Jetzt wird in eine neue Handy-Generation investiert.

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Enttäuschung beim Finanzminister: Nur 11,4 Milliarden Schilling für die UMTS-Lizenzen, aber Freude bei den Käufern. Jetzt wird in eine neue Handy-Generation investiert.

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Experten schätzen, dass die Betreiber des "Universal Mobile Telecommunications System" (UMTS) rund 50 Milliarden Schilling in den nächsten Jahren in die Netz-Infrastruktur stecken werden. Rund 20.000 Sender will man in Österreich errichten, in Deutschland mehr als 60.000. Was Telekommunikation-Fans Freude bereitet, macht aber zunehmend mehr Menschen Sorgen. Die Rede vom "Elektrosmog" geht um. Dieser Begriff drückt die Befürchtung aus, die beim Mobilfunk erzeugten hochfrequenten Felder könnten gesundheitsschädigende Wirkungen haben. Bürgerinitiativen formieren sich, um die Errichtung von Sendeanlagen zu erschweren. Die "Plattform GSM-Initiativen" hielt am 2. November eine "Mobilfunk-Mahnwache" ab. Konferenzen werden zum Thema abgehalten.

Und wieder einmal steht der Normalverbraucher ziemlich stark divergierenden Aussagen gegenüber. Das sind auf der einen Seite die Mobilfunk-Betreiber. Sie weisen darauf hin, dass es bei keiner der bisherigen epidemiologischen Studien Hinweise für einen Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und der Entstehung von Krankheiten oder Schädigungen gegeben habe.

Feststellen lasse sich nur Folgendes: Hochfrequente elektromagnetische Felder werden im Körper absorbiert und erzeugen dort Wärme. Bei längeren Handy-Gesprächen könne es daher zu schwacher Erwärmung im angrenzenden Körperbereich kommen. Mit maximal 0,1 Grad sei zu rechnen. Aber von GSM-Sendeanlagen seien solche Wirkungen sicher zu nicht erwarten. Dazu sei die Entfernungen zwischen Sender und Mensch zu groß.

Ganz anders hört es sich an, liest man die Stellungnahme der "Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt" zum Verordnungsentwurf des Infrastruktur-Ministeriums in Sachen Mobilfunk. Da heißt es: "Grundsätzlich ist festzustellen, dass biologische Effekte von GSM-Feldern im Niedrigdosisbereich als wissenschaftlich gesichert gelten. Obwohl noch Wissens- und Forschungsdefizite hinsichtlich negativer gesundheitlicher Auswirkungen auf den Menschen bestehen, ist schon jetzt bei Betrachtung der vorliegenden Daten zur Vorsicht zu mahnen."

Ein Großteil der Untersuchungen, die dem Mobilfunk Harmlosigkeit bescheinigen, betrachteten den Menschen im Großen und Ganzen als physikalisch beschreibbares System, wird von Kritikern eingewandt. Die hochkomplexen biologischen Regulationsvorgänge, die menschliches Befinden steuern, blieben weitgehend außer Betracht.

Um wirklich Auskunft zu geben, müsste man sehr komplexe Untersuchungen durchführen. Da seien die unterschiedlichen Frequenz- und Intensitätsbereiche der Strahlung, Fern- oder Nah-, Kurz- oder Langzeitexpositionen der Menschen ebenso zu berücksichtigen wie unterbrochene oder Dauer-Expositionen und vieles andere, hält Univ. Prof. Michael Kundi, Arbeitsmediziner aus Wien, fest.

Allerdings lieferten "die wenigen Untersuchungen, die heute vorliegen, schon hinreichend viele Hinweise, dass Felder, wie sie von Mobilfunkeinrichtungen ausgehen, gesundheitsschädlich sind."

Welche Schäden das sind? Bei Mäusen, die eineinhalb Jahre lang täglich eine Stunde einem gepulsten Feld ausgesetzt waren, gab es doppelt so häufig Lymphome wie in der Kontrollgruppe. Blutzellen von Menschen, die eine halbe Stunde der Strahlung in der Nähe einer Funkstation ausgesetzt waren, reagierten viel empfindlicher auf giftige Substanzen, als dies bei der Kontrollgruppe der Fall war. Weiters wurden Veränderungen im Wach- und Schlaf-EEG, Blutdruckanstiege sogar bei niedriger Exposition und Gedächtnisstörungen in Tierversuchen festgestellt. Alles halb so schlimm erwidern andere Experten. Neuere Untersuchungen hätten diese vor einiger Zeit beobachteten Ergebnisse nicht bestätigen können.

Und damit stehen wir vor demselben Dilemma, das von anderen umstrittenen Fragen her bekannt ist: Weil auch in der Wissenschaft die Interessenlage jener, die Forschung in Auftrag geben und jener, die von Projekten leben, eine Rolle spielt, kommt es so oft zu unterschiedlichen Ergebnissen. Rein methodisch ergeben sie sich dann aus geringfügigen Unterschieden in der Fragestellung oder der Versuchsanordnung. Man kennt das von den Auseinandersetzungen über schädliche Folgen der Kernkraftnutzung, des Fernsehens oder der Müllverbrennung.

Wie dem auch sei. Wenigstens eines steht außer Streit: Beim heutigen Wissensstand sind übertriebene Sorgen nicht angebracht. Im Mobilfunk-System gehen derzeit die größten Gefahren vom Handy am Ohr aus, wenn man Dauergespräche führt.

Das bedeutet jedoch nicht, dass längerfristig und bei einer weiteren Expansion des Systems - bis 2004 sollen weltweit 300 bis 400 Millionen Handys in Betrieb sein -, größere Gefahren ausgeschlossen sind.

Vernünftigerweise sollte daher auch in dieser Frage das Vorsorge-Prinzip und nicht die wirtschaftlichen Interessen der Betreiber den Ausschlag für staatliche Regelungen geben. Aus diesem Grund sind Forderungen nach Einführung von niedrigen Grenzwerten für die Strahlenbelastung zu unterstützen. Italien und die Schweiz haben jedenfalls bereits deutlich niedrigere Werte festgelegt, als sie der Verordnungsentwurf des Infrastrukturministers vorsieht. Und in Salzburg bewährt sich der freiwillig vereinbarte Grenzwert von einem Milliwatt pro Quadratmeter.

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