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Demokratie ist Diskussion

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Das Ausmaß der Polemik während der letzten Monate hat gezeigt, daß das „Habsburg-Problem“ — jenseits seiner rechtlichen und objektiven Aspekte — zu einer Frage geworden ist, die zahlreiche Österreicher bewegt. Unter den Gegnern meiner Heimkehr werden die meisten wohl von historischen Ressentiments gefühlsmäßig beeinflußt. Viele andere wiederum würden in der Verweigerung meines Rechtes auf Heimat den Beweis dafür sehen, daß Österreich aufgehört hat, ein Rechtsstaat zu sein.

Das Weiterschwelen des latenten Problems ist keine Lösung. „Zeit gewinnen“ vergiftet wie eine ansteckende Krankheit nicht nur die Frage selbst, sondern alles, was in ihre Nachbarschaft gerät. Man muß also ernstlich versuchen, eine positive Antwort zu finden.

Es wurde vorgeschlagen, man möge das Urteil des Verwaltungsgerichtes einer Volksabstimmung unterwerfen. Die Ausführung dieses Gedankens würde die verfassungsmäßige Ordnung untergraben und die Republik gefährden. Jede totalitäre Gewaltherrschaft hat damit angefangen, daß die Unabhängigkeit der Gerichte zerstört und unliebsame Urteile durch außergerichtliche Instanzen aufgehoben wurden. Das lehren uns schon die Scherbengerichte der Athener, die den Verfall der Demokratie in Griechenland einleiteten. Aber auch, wenn dem nicht so wäre — eine solche Volksabstimmung könnte keineswegs überzeugen. Gerade unsere Generation hat es vielfach erleben müssen, auf welche Weise die Waffe der Volksbefragung von den Großtyrannen verwendet wird; wenn die Demokratie durch Propaganda und Emotionen verfälscht wird, kann immer nur eine Seite ihren Standpunkt mit allen Mitteln vertreten; die Gegenseite wird zum Schweigen verurteilt. Ich habe noch nie gehört, daß dem Objekt einer solchen Befragung auch nur die Möglichkeit gegeben wurde, sich selbst dem Volke zu stellen. In dieser Perspektive kennen Sozialpsychologen genau die Phänomene der „Entscheidungsobjektivität“ einer Masse, die zuvor ausschließlich mit subjektiven Leitbildern versorgt wurde. Die jüngste Vergangenheit hat leider allzuoft schon gezeigt, daß solche politischen Dressurakte häufig tödlich ausgehen für die Freiheit der demokratischen Entscheidung.

Trotzdem bleibt die wahre Demokratie der einzige gangbare Weg. Im wohlverstandenen Interesse unseres Staates sollte man endlich versuchen, die Frage zu objektivieren, sie aus der überhitzten Atmosphäre demagogischer Wortgefechte in ein sachliches, gründliches, echtes Zwiegespräch hinüberzuleiten. Vizekanzler Pittermann hat sich erneut und mit Recht zu dem alten Masarykschen Satz „Demokratie ist Diskussion“ bekannt und sich dadurch bereit erklärt, auch mit Andersgesinnten in gutem Glauben strittige Fragen zu bereinigen. In diesem Sinne ist jeder österreichische Staatsbürger ein Gesprächspartner seiner (unserer) Heimat und seiner (unserer) Regierung.

Eine sachliche Lösung des Problems wird also erst gefunden werden, wenn man, anstatt aneinander vorbeizureden, sich endlich in einer offenen Konfrontation zusammenfindet. Mehr denn einmal habe ich öffentlich erklärt, ich sei immer und überall bereit, mich den politischen Parteien zu stellen und ihnen über meine Ansichten und Intentionen Rede und Antwort zu stehen. Noch besser wäre es allerdings, wenn diese Aussprache vor dem ganzen österreichischen Volke stattfinden könnte. Dies gäbe die Möglichkeit, das abzubauen, was den Tatsachen nicht entspricht, Mauern niederzureißen, Vorurteile zu zerstören. Es wäre nützliche Arbeit für die innere Befriedung, die durch gegenseitige Verdächtigungen niemals erreicht werden wird.

Faule Kompromisse, „freiwillige“ Verzichte auf staatsbürgerliche Rechte, endlose Verhandlungen hinter verschlossenen Türen haben noch nie zum Frieden geführt Die Bundesregierung Klaus-Pittermann hat sich feierlich verpflichtet, die Frage „Habsburg“ rechtens zu lösen. Die richtig verstandene Demokratie zeigt ihr den Weg dazu.

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