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Eine Reise in das Herz des Judentums

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Von Jerusalem bis New York, von Johannesburg bis Thessaloniki, ob in Wien, Moskau oder Bombay, auf der ganzen Welt haben Juden die gleichen Bräuche, feiern dieselben Feste und lesen am selben Tag dieselben Texte. Trotz der kulturellen Vielfalt der Länder, in denen sie leben, haben alle Juden eines gemeinsam: ihre Religion. Im Buch „Symbole des Judentums” versucht Marc-Alain Ouaknin, das Judentum von seinen Symbolen, Riten und Mythen her darzustellen und zu erklären.

Eines der wesentlichsten Symbole ist der Tempel. Um das Jahr 1000 vor Christus begann König David, Jerusalem als Hauptstadt auszubauen. Sein Sohn Salomon erbaute auf dem Berg Moria, einem der Hügel von Jerusalem, den Tempel. Die Arbeiten dauerten sieben Jahre und es entstand ein Prachtbau, in dem die Bundeslade, der siebenarmige Leuchter sowie zahlreiche andere Kultgegenstände untergebracht waren. Solange die Herrschaft Salomons dauerte, war der Tempel der Mittelpunkt der jüdischen Religion. Nach dem Tod Salomons kam es zur Spaltung seines Reiches und der Tempel verlor seine zentrale Bedeutung.

586 vor Christus eroberte der babylonische König Nebukadnezar Jerusalem, zerstörte die Stadt sowie den Tempel und verschleppte das jüdische Volk in die babylonische Gefangenschaft. Nachdem die Perser das babylonische Reich unterworfen hatten, konnten die Juden im Jahre 516 vor Christus in ihre Heimat zurückkehren und den Tempel wieder aufbauen, Palästina blieb jedoch unter persischer Herrschaft.

Mit der Eroberung des Orients durch Alexander den Großen setzte eine Welle der Hellenisierung ein, die sich unter seinen Nachfolgern noch verstärkte. Der Tempel in Jerusalem wurde dem Zeus geweiht und den Juden wurde jede religiöse Aktivität untersagt. Das Volk selbst war gespalten, den Hellenisten standen die Chassi-dim („die Frommen”) gegenüberund die Gegensätze zwischen den Parteien vergrößerten sich immer mehr. 167 vor Christus erhoben sich die Chassidim unter der Führung von Mattatias, eines alten Mannes vom Priesterstamm der Hasmonäer. Als Mattatias im folgenden Jahr starb, übernahm sein Sohn Juda, der den Beinamen Makkabi (der Hammer) erhielt, die Führung des Aufstandes. Juda gelang es, die Besatzer aus Palästina zu vertreiben und im Jahre 165 konnte er als Sieger in Jerusalem einziehen. Der Tempel wurde von den „Götzenbildern”, welche die Griechen aufgestellt hatten, gereinigt und sollte erneut geweiht werden.

Als die Priester die Lichter der Menora, des siebenarmigen Leuchters, anzünden wollten, fanden sie zwar nur ein Fläschchen Öl vor, doch statt wie sonst einen Tag, brannte das Licht acht Tage lang.

Von diesem Wunder des Ölfläsch-chens rührt das Lichtanzünden während des Chanukkafestes her, das alljährlich um die Wintersonnenwende gefeiert wird. Doch das wahre Wunder bleibt der Sieg einer hand-voll Juden gegen eine starke und gut organisierte Streitmacht. Das Symbol dieses geistigen und politischen Sieges, die Menora, ist heute das offizielle Symbol des Staates Israel, ein Zeichen des Widerstandes und der Wiedergeburt.

Der Autor, ein in Paris lebender Rabbiner, erläutert nicht nur die historischen Symbole, er geht auch auf das Alltagsleben der Juden ein und erklärt ihre Kleidersitten ebenso wie die

Speisegesetze. Beginnend mit Bosch haschana, dem Neujahrstag, folgen die Kapitel dem jüdischen Kalender und schildern die zahlreichen Feste des Jahres. Ein Feiertag, der sich jede Woche wiederholt und eine der Grundlagen des Judentums bildet, ist der Schabbat, der geheiligte Ruhetag. 39 alltägliche Arbeiten, wie das Nähen, Backen, Feuer machen, Schreiben und alle davon abgeleiteten' Arbeiten sind an diesem Tag verboten.

Doch die zahlreichen Verbote, die scheinbar die Freiheit einengen, eröffnen in Wirklichkeit einen Freiraum für andersartige Beschäftigungen, denn am Schabbat stehen die Menschen im Mittelpunkt. Der Schabbat, der Freitag abend eine Stunde vor Sonnenuntergang beginnt und bis Samstag abend dauert, ist der Buhe gewidmet, aber auch der Familie, dem Studium, dem Gespräch, dem Besuch bei Freunden. Der Schabbat ist also eine Zeit der Begegnung, er ist aber auch der Tag der Gottesdienste, die Freitag abend und Samstag vormittag stattfinden und so den Schabbat von den profanen Tagen der Woche deutlich unterscheiden. Der Schabbat wird mit der Hawdala beendet, einer Zeremonie, in der Wein gesegnet wird und nach der man einander Gutes für die kommende Woche wünscht.

Der Autor hat zwar eine kurze und übersichtliche Einführung in die Religion und Symbole des Judentums geschrieben, unterläßt aber leider in einigen Fällen eine genauere Darstellung der Geschichte und mythischen Bedeutung der Riten und Zeichen. Die Fotos von Laziz Hamani machen dies jedoch wett, und so bleibt ein durchaus lesens-, vor allem aber auch ein sehenswertes Buch.

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