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Wieder Putschstimmung
In Damaskus endete vorgestern Nacht, nach mehrtägiger Verzögerung, der hinter verschlossenen Türen abgehaltene Kongreß der syrischen Regierungspartei „El-Hizb el-Baas el-Aarabi el-Ischtriraki“ („Partei der sozialistischen arabischen Wiedergeburt“). Staatspräsident Nureddin el-Atassi und Verteidigungsminister Hafis el-Asad verbargen, als sie den Sitzungssaal verließen, nicht ihre düsteren Mienen. Die Tagung, von der beide Politiker gehofft hatten, sie werde ihren schon monatelang da-hinschwelenden Machtkampf entscheiden, mündete in einen „typischen arabischen Kompromiß“. Asad und Atassi, die jeder den Sturz des anderen fordern, fanden sich zuguterletzt nebeneinander in dem neuen sechzehnköpfigen Direktorium.
In Damaskus endete vorgestern Nacht, nach mehrtägiger Verzögerung, der hinter verschlossenen Türen abgehaltene Kongreß der syrischen Regierungspartei „El-Hizb el-Baas el-Aarabi el-Ischtriraki“ („Partei der sozialistischen arabischen Wiedergeburt“). Staatspräsident Nureddin el-Atassi und Verteidigungsminister Hafis el-Asad verbargen, als sie den Sitzungssaal verließen, nicht ihre düsteren Mienen. Die Tagung, von der beide Politiker gehofft hatten, sie werde ihren schon monatelang da-hinschwelenden Machtkampf entscheiden, mündete in einen „typischen arabischen Kompromiß“. Asad und Atassi, die jeder den Sturz des anderen fordern, fanden sich zuguterletzt nebeneinander in dem neuen sechzehnköpfigen Direktorium.
Die Delegierten drückten sich um die demokratische Wahl, weil sie fürchten mußten, der Unterlegene werde sie nicht anerkennen und spalte dadurch die Partei. Die Entscheidung über die künftige Staatsführung und das Schicksal des Landes liegt daher jetzt wieder bei den feindlichen Brüdern Atassi und Asad, den Hauptexponenten des „linken“ und „rechten“ Parteiflügels. Entweder bleibt ersterer vorläufig doch am Ruder oder letzterer entschließt sich endlich zum bewaffneten Umsturz. Ein solcher hätte wahrscheinlich Erfolg, denn hinter dem Verteidigungsminister steht, mehr oder weniger geschlossen, das Offizierskorps.
Der Baas fügt sich jedenfalls, das war das unausgesprochene Ergebnis seines geheimen Kongresses, dem Sieger der unausweichlich bevorstehenden neuen Machtprobe. Die Partei begibt sich dadurch, urteilen Kenner der Verhältnisse, jedes echten politischen Mitbestimmungsrechtes. Die älteste, größte und einzige ideologisch fixierte politische Gruppe der arabischen Welt (abgesehen von den Kommunisten) wird endgültig zum bloßen Vehikel der Machtgelüste ehrgeiziger Militärs. Wirklicher Gegenspieler des Generals Asad ist nämlich, Präsident Atassi gilt nur als unprofllierter Strohmann, der General Salach Dschedid. Dieser war zeitweilig Baas-Generalsekretär, erlaubte die Rückkehr des Chefs der noch immer verbotenen syrischem KP, Chalid Bagdasch, nahm kommunistische Minister ins Kabinett und forcierte die ideologische, wirtschaftliche, politische und militärische Zusammenarbeit zwischen Damaskus und Moskau.
Der Verteidigungsminister hingegen wünscht eine innere Liberalisierung, ist gegen den wachsenden sowjetischen Einfluß, für eine Wiederannäherung an den Westen und für eine enge politisch-militärische Zusammenarbeit mit dem Irak und anderen ostarabischen Staaten. Er liebäugelt sogar, wie man in seiner Umgebung behauptet, mit einer Wiederbelebung der „Vereinigten Arabischen Republik“ unter Einschluß von Syrien, dem Irak und Ägypten und möglicherweise auch Jordanien; diesmal jedoch nicht mit dem Schwerpunkt in Kairo, sondern in Damaskus oder Bagdad. (Präsident Abdel Nasser zeigte sich allerdings bereits desrnteressiert an einem solchen Experiment. Er ist innerpolitisch so geschwächt, daß er vorläufig auf jedes außenpolitische Abenteuer verzichten muß. Auch die Milliönen-subsidien der reichen Erdölländer verbieten ihm eine allzu enge Zusammenarbeit mit anderen „progressiven“ Regierungen. Außerdem glaubt er noch immer an seihe eigene panarabische Führerrolle.)
Nur in der Palästinafrage sind Dschedid und Asad einmütig für die kriegerische Rückeroberung der besetzten Gebiete und gegen jede Anerkennung Israels. Der Parteikongreß brachte keine Entscheidung zwischen beiden Richtungen, doch er bewies immerhin die Schwäche des Linksflügels. Das „sozialistische System“ hat in keinem arabischen Land mehr abgewirtschaftet wie in Syrien; das früher so reiche Handelsland steht, infolge der sozialistischen Rezessionspolitik, am Rand des Bankrottes. Asad hat jetzt drei Möglichkeiten: Entweder fügt er sich dem ausgehandelten Kompromiß oder er verzichtet völlig auf seine Machtansprüche. Beides hielte, davon sind Informierte Kreise überzeugt, den endgültigen Sturz seiner Gegenspieler Dschedid und Atassi nicht auf, zöge aber auch seinen eigenen Untergang nach sich. Als dritte Möglichkeit bleibe also nur der Staatsstreich. Doch General Asad ist zwar ebenso mächtig wie machthungrig, doch auch ein Zauderer. Deshalb läßt sich prophezeien, daß es in Syrien demnächst wieder zu einem Putschversuch kommt, doch unmöglich läßt sich sagen, von wem er ausgehen und wer ihn gewinnen wird. Viele junge Offiziere warten auf Asads Signal. Bleibt es aus, schreitet sicher einer van ihnen selbst zur Tat.
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