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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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DAS ERSTE OPFER EINER SCHULPOLITIK, die den konfessionellen Bildungsstätten die nötigen Subventionen verweigert, ist die Ordenssohule in Feldbach, Steiermark, geworden. Wo bisher 350 Mädchen unterrichtet wurden, schlossen sich die Türen. Die 305 katholischen Schulen Oesterreichs haben gegenwärtig 36.470 Schüler. Als Lehrkräfte sind 1524 geistliche und 1148 welt- ‘liche “Professoren und’Lehrer eingestellt. Wie es- friit den sogenannten „lebenden Subventionen”, das heifjt, der Bezahlung von Lehrkräften durch den Staat steht, erfuhr man bei einer Pressekonferenz in Wien. In einer Anstalt bezahlt der Staat von 50 Professoren nur zwei, in Kalksburg bei Wien von 26 Professoren einen. Die Sorge um die katholischen Schulen ist in ein entscheidendes Stadium getreten. Man kann sich vorstellen, dal) die Schließung dieser Schulen einen echten Notstand Hervorrufen würde; nirgends, und schon gar nicht bei der andauernden Schulraumnot der öffentlichen Schulen, wäre es möglich, fast 37.000 Schüler unterzubringen. Eine Erhebung hat ergeben, daß innerhalb des Wiener Gebietes 43,6 Prozent der Eltern, die ihre Kinder in die katholischen Schulen schicken, Angestellte und Beamte, 28,7 Prozent Gewerbetreibende und 17 Prozent Arbeiter sind, also die sichersten Lohnsfeuerträger des Staates, der sich an ausländischen Beispielen der Subventionierung konfessioneller Schulen — etwa im sozialistisch verwalteten Hamburg oder an Belgien — ein Beispiel nehmen könnte — wenn er wollte.

ES GEHT NICHT UM DIE SCHUTZENVEREINE, wie hämische Kritiker der zweiten Regierungspartei zu dem Verlangen des Tiroler Landtages bemerken, das Waffengesetz einer sinngemäßen Interpretation zu unterziehen. Das Verlangen des Landtages, die Landesregierung möge bei der Bundesregierung erwirken, das Privileg der Waffenfreiheit in Tirol, wie es bis zum Jahre 1939 bestanden hat, wiederherzustellen, hängt auch nur lose mit dem 150-Jahr-Jubiläum der Tiroler Freiheifskämpte 1809 zusammen. Der von der Generaldirektion für öffentliche Sicherheit ausgearbeitete Entwurf eines Wafferagesetzes, geht jedenfalls mit einigen Bestimmungen weit über die Regelung hinaus, die bis zum 31. Mai 1939 in Kraft war. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit allzusehr von traditionslosen, städtischen Perspektiven an die Materie herangegangen ist. Dem Land Tirol und Vorarlberg haben alte kaiserliche Patente ein Privileg zuerkannt, dessen Früchte wir schon mehrmals ernten konnten.

MODELL EINER WESTLICHEN EUROPA- POLITIK! Im siebenstündigen Gespräch zwischen Macmillan und Dr. Adenauer hat vielleicht das Modell einer gemeinsamen westlichen Europapolitik in wesentlichen Umrissen erstmalig Gestalt gewonnen. Der zähe Brite hat dem zähen Deutschen die Zustimmung zu einer militärisch verdünnten Zone in Mitteleuropa abgerungen, sich aber seinerseits zur Koppelung dieser Zusage mit politisch weitgehenden Bindungen einverstanden erklärt. So unsicher zur Stunde noch ist, wie Washington und Paris, nicht zuletzt aber London selbst auf die Absprache in Bonn reagie ren — es gibt außerdem deutliche Anzeichen dafür, daß der englische beziehungsweise der deutsche Staatschef im einzelnen verschiedene Auffassung von ihrer Abmachung haben —, so läljt sich doch schon ein Programm des Westens für die kommenden Auseinandersetzungen mit Moskau in Grundlagen erkennen. Dieses umfaßt die Wiederaufnahme der Abrüstungsverhandlungen, die Errichtung ‘einer LuftinspektiöhszofUf in der Arktis oder (und) in Europa, die Schaffung eines Verbindungskorridors zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin. Ferner ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem, dos eine stufenweise Abrüstung vorsieht und verbunden sein soll mit einer politischen Lösung der Deutsch- landfroge. Im Rahmen dieses Konzepts bildet die Ausdehnung der verdünnten Zone einen besonderen Diskussionspunkt, da Dr. Adenauer nunmehr auf den Eden- und Rapacki-Plan positiv eingeht (ein Faktum von außerordentlicher Bedeutung!) und seine deutschen militärischen Berater die 800-Kilometer-Zone in westlicher und östlicher Richtung als den heutigen Rüstungsverhältnissen unzureichend betrachten, die Russen aber schwer zur Inspektion auch nur eines Teiles ihres direkten Staatsgebietes zu gewinnen sind.

ARABISCHER BÜRGERKRIEG) Von einem „Zweikampf Nasser—Kassem” sprechen seif Wochen die Zeitungen. Kassem, der gegenwärtige Staatschef im Irak, steht zwischen zwei Feuern: zwischen dem panarabischen Nationalismus, der Anschluß an die Arabische Republik fordert, und zwischen den Kommunisten, die aus dem Irak die erste Volksrepublik im Nahen Osten, das Maxell für alle arabischen Völker, machen wollen. Nasser weiß also, warum er so scharf reagiert. Die Schaffung einer sfraff organisierten jrakischen Volksrepublik müßte dem immer noch losen Gefüge seiner Staaten und immer noch relativ lockeren Gefüge seiner Herrschaftsapparate, die sich unter Führung von Offizieren und schnell ausgebildeten Instrukteuren nicht mit der Härte und Zielstrebigkeit der kommunistischen Kader zu messen vermögen, als Verlockung und Bedrohung erscheinen. Könnte nicht, nach einer Machtübernahme der kommunistischen Volksorganisationen in Bagdad, der Irak durch einen Strom von Waffen, Maschinen, Instrukteuren aus dem Ostblock, in wenigen Jahren zum vorbildlichen Modell für die arabischen Völker werden? — Nasser weiß, was er will. Weniger sicher ist, was Kassem will, was er wollen kann; ob es ihm nämlich gelingt, die rabiaten Kommunisten zurückzudrängen. Die Rebellion des Obersten Schawaf, der barbarisch auf dem Operationstisch von einem Krankenpfleger erschossen wurde, war ja nichts anderes als eine Reaktion wider die zur Machtübernahme in Mossul vorgehenden kommunistischen Stoßtrupps — gegen jene Kräfte, die Kassem selbst so viel zu schaffen machen. Kassem droht dasselbe Schicksal wie dem Obersten Schawaf, wenn er sich nicht bald gegen die Kommunisten durchsetzt. Wenn der Irak aber kommunistisch wird, dann erhält Moskau den lange ersehnten heißen Stein im Brett: im Ringen um das Mittelmeer und um Afrika.

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